Akte X
dünne Lichtstreifen in den wabernden Dunst. Mulder arbeitete sich vorsichtig zwischen den Maschinen weiter vor.
Allmählich paßten sich seine Augen der dürftigen Beleuchtung an, und er konnte mehr Einzelheiten erkennen. Hinter den Reihen gewaltiger verchromter Maschinen erhoben sich zahlreiche Regale, auf denen sich frisch gewaschenes, säuberlich zusammengefaltetes Bettzeug stapelte. Auf dem Boden lagen verschmutzte Laken, Kopfkissenbezüge und Krankenhauskleidung, die den muffigen, ekelhaft süßlichen Gestank von Exkrementen und Verfall ausströmten. Am Ende des Ganges türmte sich ein regelrechter Berg aus weißem Stoff auf, neben dem gerade irgend etwas mit zeitlupenhafter Langsamkeit herabfiel.
Mulder lief sofort weiter vor, immer darauf bedacht, sich hinter den Maschinen zu verbergen. Vorsichtig spähte er nach vorne.
Dort stand der Mann mit dem dunklen Mantel, das Gesicht von Mulder abgewandt. Mulder konnte die Pistole sehen, die der Fremde schußbereit in der rechten Hand hielt.
Er zog sich kurz zurück, blinzelte einmal, holte tief Luft und sprang dann vor.
»FBI!« stieß er gepreßt hervor. »Ich bin bewaffnet! Drehen Sie sich nicht um!«
Die Schultern des Mannes zuckten, dann erstarrte er.
Mulder trat etwas näher. »Legen Sie Ihre Waffe ganz langsam auf den Boden.«
Der Mann zögerte einen Moment, bevor er sich gehorsam bückte. Die Pistole landete mit einem gedämpften Klappern auf dem Betonfußboden. Vorsichtig stand der Mann wieder auf. Mulder hatte sein Gesicht noch immer nicht gesehen.
»Legen Sie die Hände in den Nacken und verschränken Sie die Finger«, befahl Mulder. Der Fremde befolgte auch diese Anweisung widerspruchslos.
»Und jetzt drehen Sie sich mit dem Gesicht zu der Maschine hinter ihnen und lehnen sich mit der Stirn dagegen.« Dann näherte sich Mulder dem Mann vorsichtig. Er klopfte ihn ab und fand die Ampulle mit Scullys Blut in der vorderen Manteltasche, zog sie mit der linken Hand hervor und starrte sie an. Im gedämpften Licht schimmerte das dunkle Blut in dem Glasröhrchen wie ein rubinroter Edelstein.
Er zog sich ein paar Schritte zurück. »Drehen Sie sich zu mir um«, verlangte er, die Pistole auf den Oberkörper des Mannes gerichtet.
Als der andere sich umdrehte, erkannte Mulder, daß es tatsächlich der Mann aus der Intensivstation war. Er hatte ihn noch nie zuvor gesehen.
Er hielt die Ampulle hoch. »Wer will das haben?«
Der Mann starrte ihn reglos an, als habe er die Frage nicht gehört. Mulder wartete einen Moment, dann ließ er das Glasröhrchen sinken. Der Mann folgte der Bewegung mit den Augen. Mulder machte eine auffordernde Geste mit der Pistole. »Okay. Gehen wir.«
Der Fremde drehte sich um und ging los. Gerade, als Mulder ihm folgen wollte, erklang von irgendwoher das metallische Scheppern einer Tür, die ins Schloß fiel. Fast gleichzeitig stürzte der gigantische Wäscheberg hinter den beiden Männern in sich zusammen. Mulder sah aus den Augenwinkeln eine Unzahl Stoffstücke auf sich zukommen. Für einen Moment lang war er unachtsam. Der Fremde nutzte seine Chance geistesgegenwärtig, sprang vor und packte ein großes Holzbrett, das an einer der Waschmaschinen lehnte. Er wirbelte es mit einer solchen Gewandtheit hoch, daß Mulder daraus schloß, daß dieser Mann diverse Kampfsportarten beherrschte. Der Fremde griff Mulder ohne zu zögern an.
Der erste Schlag traf Mulder mit einem vernehmlichen Knirschen in die Rippen. Er stieß einen grunzenden Laut aus und krümmte sich zusammen. Der Mann stürzte sich auf ihn und griff nach Mulders Waffe.
Sein Gewicht ließ Mulder rücklings gegen die Maschine prallen. Er wand sich unter ihm, suchte nach einem Halt und konnte sich gerade noch auf den Beinen halten.
Der Angreifer nutzte seinen Vorteil und warf sich auf Mulder. Der strauchelte, riß aber gerade noch rechtzeitig den rechten Arm hoch, um einen weiteren Schlag mit dem Holzbrett abzuwehren. Dabei wurde ihm die Pistole aus der Hand geschleudert. Der Mann wirbelte herum und schmetterte Mulder das Brett gegen die rechte Schläfe.
Mulder spürte, wie seine Beine unter ihm nachzugeben drohten. Noch bevor er richtig begriffen hatte, was passiert war, fiel er auf die Knie. Er schüttelte benommen den Kopf und kämpfte gegen die drohende Bewußtlosigkeit an.
Der Mann versetzte ihm einen letzten Tritt und hechtete mit einem triumphierenden Knurren auf Mulders Waffe zu, die nur wenig Schritte entfernt auf dem Boden lag.
Das ist das Ende,
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