Akte X
nichts.“
Auf Sheriff Arens’ Gesicht spiegelte sich milde Neugier wider, und er warf über Mulders Schulter hinweg einen Blick auf die Papiere.
„Wollen Sie damit sagen, dass er nie mit Ihnen über seine Arbeit gesprochen hat?“ fragte Mulder weiter.
„Es gab... ich bin sicher, es gab viele Dinge, über die er nie mit mir gesprochen hat“, entgegnete sie. Ihre Stimme hatte einen leicht nervösen Klang angenommen.
Mulder deutete auf die Papiere. „Also, er hat hier einige klare Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen zum Gesundheitsschutz aufgeführt. Er wollte die Schließung des Betriebs empfehlen ... Davon wäre natürlich die ganze Stadt betroffen gewesen.“
„Ich sagte es Ihnen schon! Er hat mir nie etwas über die Vorgänge auf der Hühnerfarm erzählt“, wiederholte die Frau gehetzt und warf Sheriff Arens einen hilfesuchenden Blick zu. Doch der gönnte ihr nur ein verständnisvolles Lächeln.
„Mrs. Kearns, ich weiß, es ist nicht leicht für Sie“, räumte Scully ein, „aber hat Ihr Mann vielleicht Drohanrufe erhalten, oder haben Sie irgendwelche ungewöhnlichen Postsendungen bekommen?“
„Nein. Nie. Jedenfalls nicht, soweit ich es beurteilen kann. Falls... falls er bedroht worden ist, so hat er mir nichts davon erzählt.“
Scully und Mulder tauschten einen Blick. Ganz offensichtlich stand Mrs. Kearns kurz vor einem Nervenzusammenbruch, und es war an der Zeit aufzuhören. Scully empfand Mitgefühl. Diese Frau hatte ihr Leben an einen Mann verschenkt, der sie im Stich gelassen hatte, und jetzt plagte er sie auch noch über sein Verschwinden hinaus.
Mulder zog eine Karte aus seiner Brieftasche und reichte sie Mrs. Kearns.
„Ich lasse Ihnen meine Telefonnummer da. Falls Ihr Mann Kontakt zu Ihnen aufnimmt oder falls Ihnen sonst noch etwas einfällt - möchte ich, dass Sie mich anrufen.“
Schweigend nahm Mrs. Kearns die Karte entgegen.
Mulder wandte sich an Arens. „Sheriff, wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie uns zu Chaco Chicken führen könnten.“
Sheriff Arens grinste. „Kein Problem.“
5
Ein voll beladener Lastwagen verließ das Werk, und sofort fuhr der nächste Transporter an die frei gewordene Rampe.
Weißgekleidete Arbeiter schoben Transportkarren mit stabilen Kunststoffbehältern voller Hühnchenteile auf seine Ladefläche. Statt zu einfachen Kadavern waren die Tiere zu Nahrungsmitteln geworden, einzeln in Plastikfolie verpackt, küchenfertig und bereit, eine hungrige Nation zu versorgen.
In erstaunlich kurzer Zeit war der LKW bis zur vollen Auslastung seiner Kapazität beladen. Als er vom Hof fuhr, rückte gleich der nächste aus einer schier endlosen Reihe von wartenden Lastern nach.
Über allem wachte das riesige Konterfei Walter Chacos, das von einem großen Schild auf dem Dach der Fabrik herabblickte, als würde es zwischen den Wolken schweben. Das gemalte Lächeln strahlte auf die geschäftig umherlaufenden Arbeiter herab. Gleich neben dem Bild prangte in stolzen, zwanzig Fuß hohen Lettern der Schriftzug CHACO CHICKEN, und darunter, etwas kleiner, das Motto des Unternehmens: Gute Menschen, Gutes Essen.
Zwei Wagen hielten vor dem Haupttor der Fabrik. Als Mulder und Scully aus ihrem Leihwagen stiegen, umfing sie augenblicklich ein überwältigender Fäulnisgestank. Mit gerümpften Nasen versuchten sie sich einen Eindruck von den Ausmaßen des Werks zu verschaffen, während sich der Sheriff, dem der Geruch nichts auszumachen schien, zu ihnen gesellte.
Kaum hatten Mulder und Scully die weitläufige Werkhalle betreten, als sie auch schon von einem unglaublichen Lärm umtost wurden: ein ständiges Klirren, Surren und Kreischen von Maschinen und Messern. Gleich darauf bemerkten sie, dass sich der Geruch nach Blut, Innereien und Abfällen noch verstärkt hatte.
Dann sahen sie das Förderband, das die grausame Wirklichkeit der Arbeit auf einer Hühnerfarm zeigte: In einer endlosen Reihe fahlen Fleisches zogen die aufgehängten Hühner mit lahmen Flügeln an den Arbeitern vorüber.
Die Vögel waren bereits geschlachtet und gerupft. Während die toten Tiere auf Metallstäbe gespießt durch den Raum transportiert wurden, schlitzte ihnen die erste Arbeitstruppe den Leib auf und strich die hervorquellenden Innereien heraus.
Der nächste Trupp nahm die Hühner von den Stäben ab und hängte sie mit den Beinen an Metallhaken, damit die folgende Arbeitsgruppe sie von innen und außen reinigen konnte.
Die Geschwindigkeit des Bandes war die
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