Akte X
nächsten und sammelte die Abfälle in einem Plastikeimer. Als der Eimer voll war, ging er damit zu einer Industriemühle und leerte ihn in den großen Einfüllstutzen. Dann betätigte er einen Schalter, und das Mahlwerk nahm lautstark seine Arbeit auf. Mulder konnte sehen, wie die weiche Masse über eine Rutsche in einen großen Trog unterhalb der Mühle strömte.
Mulder fragte sich, ob das einer der Verstöße war, die Kearns bemängelt hatte.
„Was ist das?“ erkundigte er sich bei Harold und deutete auf den Behälter.
„Ach, das...“ Der Betriebsleiter führte sie zu der gewaltigen, bebenden Maschine, die Mulders Aufmerksamkeit erregt hatte. „Das ist eine Futtermühle.“
„Futtermühle?“ Mulder traute seinen Ohren nicht.
Harold nickte. „Sie zerkleinert Knochen, Muskelgewebe, alles, was wir von den Vögeln nicht verkaufen können. Wir verwenden es als Futter.“
Sie versammelten sich um die Mühle und starrten auf die blutige Masse in ihrem Inneren. Eine Art riesiger Schraube drehte sich und zermalmte Fleisch und Knochen so lange, bis sie als dünnflüssiger schleimiger Brei in den tiefer liegenden Trog flössen.
Mulder verzog das Gesicht. „Hühner fressen Hühner?“ fragte er, unfähig seine Abscheu zu verbergen.
„Ich weiß, das klingt nicht gerade appetitanregend“, erklärte Harold, „aber es ist nahrhaft, und es senkt die Kosten.“ Er konnte ihnen ansehen, dass sie noch nicht überzeugt waren. „Die Masse wird gekocht und mit Getreide vermischt. Es gibt keinen Grund, all das gute Protein wegzuwerfen.“
Als eine Sirene ertönte, blickte Jess Harold auf seine Uhr.
„Wenn Sie mich entschuldigen würden.“ Er schenkte den Agenten ein geschäftsmäßiges Lächeln. „Ich muss mich jetzt um den Schichtwechsel kümmern.“ Dann wandte er sich um und verschwand im Getümmel der Arbeiter.
Mit hochgezogenen Schultern sah Scully zu Mulder hinüber. „Sind Sie nun bereit zuzugeben, dass man einen Narren aus uns gemacht hat?“
Mulder wandte den Blick nicht von der Futtermühle ab. „,Wenn der Narr an seiner Narrheit festhält, wird er weise werden’, Scully“, entgegnete er und blinzelte ihr zu. „William Blake.“
Sie schüttelte den Kopf. „Selbst Blake hätte eine Sackgasse erkannt, wenn er vor ihr gestanden hätte“, bemerkte sie, während sie zum Ausgang gingen. „Ich meine, ob George Kearns nun die Stadt verlassen hat oder umgebracht wurde, diesen Fall - immer vorausgesetzt es gibt einen - könnte doch genausogut jemand aus dem Büro in Kansas City übernehmen.“ Sie grinste. „Mulder, Sie werden hier nicht gebraucht.“
Ihr Partner seufzte. Darauf konnte er nichts erwidern. Sicher gab es Hinweise, aber nichts, was ihn weiterbrachte. Seine ursprüngliche Theorie hatte sich in Luft aufgelöst, und ein neuer Anhaltspunkt hatte sich nicht ergeben. Möglicherweise musste er diesmal tatsächlich eingestehen, dass Scully...
Ein schriller Schrei hallte durch die weitläufige Halle und vertrieb den Gedanken aus seinem Bewusstsein. Wie ein Mann wirbelten Mulder und Scully herum.
In der Mitte der Halle stand Paula Gray und hielt ihr langes scharfes Ausweidemesser an Jess Harolds Kehle.
Die beiden FBI-Agenten schätzten die Situation ab und stürmten vorwärts. Ein weiterer Schrei übertönte den Produktionslärm, während das Fließband unbeachtet weiterlief.
Die verzweifelte Frau mit dem Messer wich langsam zurück in Richtung Schneidestation, wobei sie mit wilden Blicken um sich schaute.
Harold war zu verängstigt, um sich zur Wehr zu setzen und schlurfte unbeholfen rückwärts mit ihr mit. Beinah wäre er in einer Blutlache auf dem Boden ausgerutscht.
„Lassen Sie ihn gehen!“ rief Mulder und griff nach seiner Waffe. „Wir sind Bundesagenten!“
Nach und nach verließen die anderen Arbeiter ihre Arbeitsplätze. Einige wichen an die Wände zurück, andere kauerten sich auf den Boden. Manche schienen zu überlegen, wie gefährlich es wäre, wenn sie selbst eingreifen würden.
„Bleiben Sie alle ganz ruhig!“ schrie Scully, um jegliche Panik im Keim zu ersticken - und eventuelle Möchtegernhelden davon abzuhalten, noch weitere Menschenleben zu gefährden.
Sie machte einige Schritte auf Paula und ihre Geisel zu. Aus dieser Entfernung konnte sie deutlich erkennen, wie sich das Messer in Harolds Haut drückte. Ein kleiner Ausrutscher, ein bisschen mehr Druck, und es würde dem verängstigten Mann die Kehle aufschlitzen.
„Tun Sie ihm nichts“, beschwor Scully die Frau. „Sagen Sie uns
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