Akte X
und ihr Gesicht war rein und ebenmäßig. Sie war eine schöne junge Frau. Vielleicht, wenn er nur halb so alt wäre... oder nicht verheiratet...
Doris! Was waren das nur für Gedanken? War er tatsächlich schon so nah dran, seine Frau zu betrügen, wenn auch nur in Gedanken? Er fühlte den Druck der Schuld auf seiner Brust, als er den Kopf schüttelte. „Miss Gray“, protestierte er stockend. „Ich ... ich liebe meine Frau.“
Paula Gray zögerte und sah ihn mit so traurigen Augen an, dass es ihm die Sprache verschlug. Dann hatte sie ihre Fassung zurückgewonnen und lächelte erneut berückend. „Natürlich tun Sie das“, gurrte sie. „Aber Mister Kearns, was dachten Sie denn, was ich mit Ihnen vorhätte?“
„Ich...“ begann George, doch seine Kehle war wie zugeschnürt, und das Sprechen fiel ihm schwer. „Ich wollte nur nicht...“
Paula unterbrach ihn. „Nun kommen Sie nicht auf dumme Gedanken!“ Mit sanftem Druck legte sie ihm ihre zierliche Hand auf den Arm. „Aber es gibt etwas in dem Wald da, das müssen Sie einfach sehen.“
George öffnete den Mund, um erneut und dieses Mal energischer zu protestieren, doch er bekam keinen Ton heraus. Der Druck auf seinem Brustkorb lahmte ihn, presste die Luft aus seinen Lungen ... Es war ein Gefühl, das er nun plötzlich und voller Hoffnungslosigkeit erkannte.
Ein neuer Anfall.
George konnte nichts tun. Die Bewegungslosigkeit verdammte ihn zum Zusehen. Hilflos hing er auf seinem Sitz, als Paula die Beifahrertür öffnete und ausstieg.
„Kommen Sie?“ kicherte sie und verschwand in der Dunkelheit.
Nicht jetzt, betete George. Dies war wirklich der verkehrteste Zeitpunkt für einen weiteren Anfall, doch George wusste genau, was nun geschehen würde. Und schon krümmte sich sein Körper unter rasenden Schmerzen, als sich ein kaltes grimmiges Feuer vom Scheitel bis zur Sohle durch seinen Leib fraß. Er schrie auf, doch nur ein gurgelnder, kaum hörbarer Laut entfuhr seiner Kehle. Auf seinem verzerrten Gesicht kündete kalter Schweiß von der Qual, die der Schock in seinen Körper senkte - und von der Angst, der Todesangst, die schlimmer als alle Schmerzen war. Werde ich dieses Mal sterben? Oh bitte, lass mich nicht sterben! Bitte...
George biss die Zähne zusammen. Mit äußerster Willensanstrengung gelang es ihm, in seine Jackentasche zu langen und ein kleines Glasröhrchen herauszufischen.
Allmählich ließen die Schmerzen nach, doch George wusste, dass der Anfall noch nicht vorüber war. Hastig zog er die Verschlusskappe von dem Röhrchen und schüttelte sich zwei Tabletten in seine zitternde Hand.
Bebend führte er die Hand zum offenen Mund.
Wasser wäre jetzt nicht schlecht, dachte er und verzog das Gesicht, als er die bitteren Tabletten zu Brei zerkaute. Doktor Randolph, der Betriebsarzt, hatte ihm das Medikament verschrieben, da er der Ansicht war, dass die Anfälle durch Stress ausgelöst wurden.
George fühlte, dass der Anfall zu Ende ging. Tief durchatmend öffnete er die Tür und taumelte aus dem Wagen. Angestrengt starrte er in die Richtung, in der Paula Gray verschwunden war, doch außer Bäumen und pechschwarzer Nacht konnte er nichts erkennen.
„Paula!“ rief er heiser. „Paula! Wo sind Sie?“
„Hier drüben, George! Kommen Sie schon. Es ist unglaublich!“
Am Klang ihrer Stimme erkannte er, dass sie tief in den Wald hineingelaufen sein musste. Für einen Moment überdachte er seine begrenzten Möglichkeiten.
Er konnte einfach davonfahren und sie im Wald alleine lassen. Ein verlockender Gedanke, doch das wäre das Ende seiner Karriere. Ebensogut könnte er gleich nach Hause fahren, seine Sachen packen und aus der Stadt verschwinden.
Er konnte am Wagen warten, bis sie sich endlich langweilen und zurückkommen würde. Ein solches Verhalten könnte er sich leisten, doch George wusste, dass es nicht funktionieren würde. Sie war jung und voller Energie. Womöglich blieb sie die ganze Nacht im Wald.
Verdrossen kam George zu dem Schluss, dass er keine andere Wahl hatte. Er musste ihr folgen und sich dieses faszinierende Etwas ansehen, beeindruckt tun, sie wieder zum Wagen zurückbringen und so schnell wie möglich von hier verschwinden.
Stirnrunzelnd machte er sich auf den Weg in den Wald, wobei er den grimmigen Entschluss fasste, nie wieder bei einem liegengebliebenen Wagen anzuhalten und seine Hilfe anzubieten.
„In Ordnung, Paula!“ rief er. „Ich komme! Welche Richtung?“
„Hier drüben, George! Beeilen Sie sich! Sie wollen das doch nicht
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