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Akte X

Akte X

Titel: Akte X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skin
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Zahnfleisch massierte. In Gedanken konnte er noch immer die Schaufel, die auf ihn eindrosch, und das irre Funkeln in den Augen des Kolumbianers aufblitzen sehen. Nur ein paar Zentimeter höher, und das Werkzeug hätte ihm den Kopf gespalten. Mulder wünschte nur, seine Partnerin, Scully, hätte den Mann nicht so schnell in Handschellen gelegt, nachdem sie ihm die Waffe abgenommen hatte. Ein nettes, ausgedehntes Handgemenge hätte Mulder Gelegenheit gegeben, dem Kolumbianer den Hieb mit der Schaufel heimzuzahlen. Und das sinnlose Unterfangen, das sie überhaupt erst zu dieser verlassenen Scheune geführt hatte.
    Immerhin, das musste Mulder sich eingestehen, es war nicht allein dem Kolumbianer zuzuschreiben, dass er und Scully zwei Wochen lang einem Fall im Staat New York nachgejagt hatten, der eigentlich in die Zuständigkeit des Drogendezernats fiel. Carlos Sanchez konnte nicht von den Berichten über verstümmeltes Vieh gewusst haben, die das FBI während der letzten Monate erreicht hatten; auch war ihm die dadurch entstandene Akte nicht bekannt, die eines Tages auf Mulders Schreibtisch im Keller des Hoover-Gebäudes gelandet war, einerseits weil die bizarren Funde im Mittelpunkt dieses Falles gut zu Mulders Leidenschaft für das Unerklärbare paßten, andererseits weil kein anderer Agent daran interessiert war, einen Haufen toter Kühe zu untersuchen.
    Sanchez hatte von all dem nichts gewusst, ganz einfach, weil der Fall nur am Rande mit verstümmeltem Vieh zu tun hatte. Mulder hingegen hätte von Anfang an wissen müssen, dass dies keine echte X-Akte war. Zweiunddreißig Kühe mit sauber aufgeschlitzten Bäuchen waren allenfalls abgedroschen, aber bestimmt nicht geheimnisvoll.
    Aber Mulder hatte die Hinweise nicht gesehen, bis es zu spät war. Als Scully das Vorhandensein älterer Wundnähte unter den frischen Wunden entdeckt hatte, hätte er mißtrauisch werden müssen. Dann, als er und Scully herausgefunden hatten, dass alle Rinder von derselben Zuchtstation außerhalb von Bogota stammten, hätte er die Fäden endgültig zusammenfügen müssen.
    Aber er erkannte die Wahrheit erst in dem Augenblick, als er in die verlassene Scheune auf Sanchez' Farm hineinstolperte. Dort starrte er auf die ausgeweideten Kadaver, die sich in der Mitte der Scheune stapelten, und auf die blutverschmierten Kunststoffbeutel mit weißem Pulver, die im Heu trockneten, und endlich ging ihm ein Licht auf. Sanchez hatte die Kühe dazu mißbraucht, Kokain in die Vereinigten Staaten zu schmuggeln. Die verlassene Scheune war ein Drogendepot, dessen Verteilungswege über die Autobahn direkt nach Manhattan führten.
    Noch ehe Mulder seine Entdeckung verdaut hatte, war Sanchez schon mit der Schaufel auf ihn losgegangen. Eine Minute später lag er bereits auf dem Kolumbianer in einem Haufen getrockneter Kuhfladen, während Scully dem Mann die Handschellen anlegte. Während der Rückfahrt zum Hotel hatte er schweigend sein schmerzendes Kinn gepflegt, stets darauf bedacht, Scullys Blicken auszuweichen. Er musste nicht erst ihren Gesichtsausdruck sehen, um genau zu wissen, was sie dachte. Wieder war ein Geheimnis enttarnt worden, hatte sich ein Mysterium als gänzlich trivial entpuppt. Aber schließlich war es ihre Aufgabe, so zu denken. Nur deswegen war sie ihm als Partnerin zugeteilt worden - um die wissenschaftlich erklärbaren, rationalen Hintergründe der von Mulder vermuteten Rätsel aufzudecken. Manchmal, so wie in diesem Augenblick, war selbst ihr Schweigen nicht minder unangenehm als ein Schaufelhieb gegen sein Kinn.
    Stöhnend richtete er seine athletisch gebauten hundertdreiundachtzig Zentimeter in eine sitzende Position an der Bettkante auf, als er hörte, wie die Dusche im gegenüberliegenden Raum aufgedreht wurde. Erschöpfung und Enttäuschung peinigten ihn von Kopf bis Fuß. Mit der freien Hand strich er sich durch das dunkle Haar, während er versuchte, den Nebel vor seinen müden, haselnußbraunen Augen zu vertreiben. Es war Zeit zur Abreise. Er und Scully hatten noch eine weite Fahrt bis zum Flughafen in Westchester vor sich, und wenn sie das letzte reguläre Flugzeug nach Washington noch erreichen wollten, so mussten sie unterwegs mehr als nur ein paar Geschwindigkeitsbegrenzungen mißachten. Andererseits war das einer der Vorteile, die der Dienstausweis und die FBI-Plakette mit sich brachten. Jemand anderes kümmerte sich um die Strafzettel.
    Mulder ließ das nasse Handtuch auf den häßlichen, beigen Teppich fallen. Das beengte

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