Akte X
steckte unter einer rosafarbenen, antiseptischen Haube. Seine schmalen Augen folgten den beiden Agenten, bis sie aus seinem Blickfeld verschwanden. Dann zog er ein kleines Mobiltelefon aus seiner Tasche. Rasch wählte er eine Nummer, und seine Finger huschten hastig über die numerierten Tasten. Einige Sekunden später begann er mit leiser, nasaler Stimme zu sprechen. Die Worte waren fremd, und sein Ton stieg und fiel, während eine Silbe nach der anderen durch das dünne Material der Chirurgenmaske vor dem Mund des jungen Mannes drang. Eine kurze Pause trat ein, ehe eine tiefe Stimme von irgendeinem weit entfernten Ort aus antwortete. Der junge Mann nickte und schob das Mobiltelefon zurück in seine Tasche.
Ein erwartungsvolles Schaudern erfaßte seine Schultern. Dann grinste er, und seine hochangesetzten Wangenknochen drückten sich gegen den Rand der Chirurgenmaske. Für ihn bedeutete die vor ihm liegende Aufgabe mehr als nur ein Akt der Loyalität oder der Pflichterfüllung - für ihn war es ein Akt beinahe erotischen Vergnügens.
Seine Finger spannten sich, als er den beiden FBI-Agenten hinaus in den Korridor des Krankenhauses folgte.
Kapitel 4
Zwanzig Minuten später erschauerte Mulder in dem kalten Luftzug, als er dem ausladend gebauten Assistenten des Leichenbeschauers in den Kühlraum folgte, der ganz unten im Keller des New York Hospitals untergebracht war. Es war relativ einfach gewesen, die Spur der Haut zurück über die Brücke an der 59. Straße zu verfolgen. Doch gleich darauf waren er und Scully dem ersten Hinweis darauf begegnet, dass ihre Untersuchung doch nicht so einfach verlaufen würde - und gleichzeitig hatte Scullys wachsender Glaube, die sonderbaren Umstände in diesem Fall mit konventionellen, medizinischen Methoden lösen zu können, einen empfindlichen Schlag verkraften müssen. Wie Mulder es vorausgesagt hatte, würde Stantons Veränderung nicht durch einen schnellen Besuch in der Hautbank der Feuerwehr von New York aufgeklärt werden können.
»Verschollen«, hatte Scully gesagt, als sie das Telefongespräch beendet hatte, während sie und Mulder das Jamaica Hospital verließen. »Sie sind nicht in der Lage, die sechs Schalen mit entnommenen Hautstreifen aufzutreiben, von denen Stantons Transplantat stammt.«
Der Verwaltungschef der Hautbank hatte Scully versichert, das FBI würde sofort benachrichtigt werden, wenn die vermißten Schalen gefunden würden. Außerdem hatte er darauf beharrt, dass dies kein Grund zur Besorgnis wäre; die vollkommen unterbesetzte und wirtschaftlich notleidende Hautbank hatte es jede Woche mit mehreren hundert Pfund Haut zu tun, und Fehler wie dieser waren keineswegs ungewöhnlich. Und obwohl es ihm nicht gelungen war, die entnommene Haut zu finden, hatte der Verwaltungschef Scully doch zumindest Namen und Aufenthaltsort des Spenders nennen können: Derrick Kaplan, derzeit wohnhaft in der Leichenhalle des New York Hospitals.
Während Scully den Aussagen des Verwaltungschefs unbesehen Glauben schenkte, fühlte Mulder, wie sein eigenes Mißtrauen wuchs. Er glaubte nicht, dass Stantons Verhalten durch irgendwelche bekannten Mikroben erklärt werden konnte - und nun war überdies die Haut verschwunden. Für einen reinen Zufall war das ein bisschen viel. Dennoch hatten er und Scully nun eine Spur, der sie nachgehen konnten. Während das NYPD mit seiner Suche nach Stanton beschäftigt war, würden er und Scully das Hauttransplantat bis zu seiner Quelle zurückverfolgen.
Nachdem Scully das Gespräch mit der Hautbank beendet hatte, hatten sie und Mulder sich gleich auf den Weg zum New York Hospital gemacht. Nach einem kurzen Zwischenstopp an der Rezeption war es ihnen gelungen, den Assistenten des Leichenbeschauers halb schlafend in seinem Büro, zwei Stockwerke unter der Notaufnahme, aufzutreiben. Kleingewachsen, das blonde lockige Haar ungekämmt, war Leif Eckleman genau der Typ Mann, den Mulder an einem Arbeitsplatz in der Leichenhalle im Kellerlabyrinth eines Krankenhauses vorzufinden erwartet hatte. Auch war Mulder nicht überrascht gewesen, eine halb geleerte Dreiviertelliterflasche Jack Daniels in der oberen Schublade des unaufgeräumten Schreibtisches zu entdecken. Alkohol gehörte gewissermaßen zum Job, und Mulder war bemüht, sich nicht zu einem vorschnellen Urteil hinreißen zu lassen.
»Die beiden Jungs von der medizinischen Fakultät waren am Freitag noch spät in der Nacht hier«, murmelte Eckleman, als er den rechteckigen Raum durchquerte
Weitere Kostenlose Bücher