Akte X
halblaut, als ihr Laptop plötzlich aufleuchtete. Das Foto nahm die Hälfte des Monitors ein, und Mulder beugte sich vor, um das Bild besser erkennen zu können. Hochgewachsen, muskulös, breite Schultern und blondes kurzgeschnittenes Haar. Er trug eine grüne Infanterieuniform und hatte die Hände stramm an die Hosennähte gelegt. Allem Anschein nach war diese Aufnahme als ein offizielles Foto der Army entstanden - und der blauäugige Andrew Paladin hatte den entschlossenen Blick eines Karriere-Infanteristen aufgesetzt.
»Er ist viel kompakter als sein Bruder«, stellte Mulder fest. »Breiter in den Schultern, vielleicht ein paar Zentimeter kleiner.«
Scully nickte. Sie hatten bereits ein Dutzend Fotos von Emile Paladin gesehen, von denen die meisten aus der Zeit des Fibrol-Skandals stammten. Emile Paladin war ein attraktiver Mann gewesen, groß und dünn, mit intelligenten Augen und einem einnehmenden Lächeln. Besonders in den Jahren vor seinem Tod hatte er sich gern und oft fotografieren lassen. Doch Andrew Paladin war offensichtlich eine andere Sache. »Mehr kann ich nicht bieten, Mulder. Ich habe jede nur denkbare Datenbank durchforstet und bloß ein Army-Foto und ein paar persönliche Daten gefunden. Er ist wie sein Bruder im Norden des Staates New York geboren und diente zwei Jahre in Südvietnam, bevor er im Kampf verwundet wurde. Er war damals zwanzig Jahre alt und anscheinend ein guter Soldat. Zweimal für Tapferkeit ausgezeichnet, ständig gute Beurteilungen von seinen kommandierenden Offizieren. Aber nach seiner Verwundung endeten die Berichte ... Er wurde zur MASH-Einheit seines Bruders in Alkut verlegt - und verschwand spurlos von der Bildfläche.«
Als das Flugzeug in eine neuerliche Turbulenz geriet, hielt Mulder den Laptop an der Seite fest. »Was ist mit seiner Verwundung? Steht in den Akten, wo es ihn erwischt hat - und wie schwer?«
Scully schüttelte den Kopf. Sie hatte Andrew Paladins dünne Militärakte durchgesehen, während sich Mulder vom dritten Film dieses Flugs berieseln ließ, einen in ihren Augen unsäglichen Streifen über eine Familie sprechender Katzen. »Naja, seine Verletzungen waren schwer genug, um den Krieg für ihn zu beenden. Drei Monate nach seiner Ankunft in Alkut wurde er für dienstuntauglich erklärt und aus der Army entlassen. Aber in seiner Akte steht nichts Genaueres. Merkwürdig, Mulder. . . die Army ist in diesen Dingen doch sonst so penibel. Es müßte zumindest eine Art Krankenblatt geben, irgendwelche Unterlagen für den Fall, dass er in einer Klinik des Veteranenverbandes hätte weiterbehandelt werden müssen.«
Nachdenklich zupfte Mulder an seiner Unterlippe. »Emile Paladin war für die medizinische Behandlung seines Bruder verantwortlich, nicht wahr? Wenn er irgendwelche Informationen unterschlagen wollte, hätte er es problemlos tun können.«
Scully hielt den Atem an, als die Kabinenbeleuchtung flackerte, verlosch und dann wieder aufflammte. Der Sturm schien schlimmer zu werden, und immer dickere Regentropfen prasselten gegen das Doppelfenster aus Plexiglas. »Warum hätte er aus dem Gesundheitszustand seines Bruders ein Geheimnis machen sollen?«
Mulder überlegte, ob er seinen Verdacht laut aussprechen sollte, und wie gewöhnlich entschied er sich, aus seiner Meinung keinen Hehl zu machen. »Vielleicht hatte Emile Paladin etwas zu verbergen . . . Und vielleicht hat er das immer noch.«
Scully starrte ihn an. »Mulder, Emile Paladin ist vor fünfzehn Jahren gestorben.«
»Genau in dem Moment, als ein Skandal hoch kochte, der ihn möglicherweise ins Gefängnis gebracht oder seine Firma ruiniert hätte?« konterte Mulder.
»Sie halten den Zeitpunkt seines Todes für verdächtig«, folgerte Scully nach einem kurzen Moment des Schweigens.
»Und die Umstände. Er starb bei einem Unfall in Übersee. Sein einsiedlerischer Bruder erbte die Firma - ein Bruder, der vor über zwanzig Jahren von der Bildfläche verschwand und bis heute so unsichtbar blieb, dass es von ihm noch nicht einmal eine Adresse oder eine Telefonnummer gibt.«
Scully schüttelte den Kopf. »Ich stimme zu, dass es eine Menge ungeklärter Fragen gibt. Aber anzudeuten, dass Emile Paladin seinen Tod vorgetäuscht hat. . . Aus welchem Grund, Mulder? Und wie paßt Andrew Paladin ins Bild?«
»Vielleicht«, Mulder hob die Schultern, »wollte Emile Paladin seine Forschungen heimlich weiterführen. Vielleicht hilft ihm sein Bruder, seine Arbeit geheim zuhalten. Und vielleicht hat
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