Akte X
„Lachen Sie nicht. Sie haben doch keine
Ahnung, was die Leute so alles die Toilette runterspülen. Vor einigen Jahren haben wir im Abwasserkanal sogar mal einen Alligator gefunden. Er ist
jetzt im Zoo."
„Aber Sie wissen nicht genau, was Sie da ange
griffen hat?" hakte Mulder noch einmal nach. „Was es auch war, es hatte Kräfte wie ein Bär,
das sage ich Ihnen!" Craig schüttelte den Kopf bei
der Erinnerung an das, was er erlebt hatte. „Ich
wurde zusammendrückt wie in einer Schraubzwinge. Ich wollte nur noch weg. Aber es hat seine Spuren hinterlassen."
„Kann ich mir die Wunde mal ansehen?" fragte
Mulder.
„Wenn Ihr Magen das aushält", erwiderte Craig
ein wenig großspurig. „Und wenn die Ärztin nichts
dagegen hat."
„Natürlich nicht", lächelte Dr. Zenzola und schob
Craigs Krankenkittel beiseite.
Mulder betrachtete die frisch gereinigte Wunde
eingehend. Es war ein o-förmiges Loch von etwa
zehn Zentimeter Durchmesser. Am Rand waren vier
punktformige Löcher und ein größeres in der Mitte. „Wie ich schon sagte, es sieht aus wie eine
Bißwunde", kommentierte Dr. Zenzola. „Aber ich
weiß nicht, was so eine Wunde schlagen könnte." „Diese Bißwunde ist tatsächlich ziemlich ungewöhnlich", stimmte Mulder zu und sah noch einmal
genauer hin.
Plötzlich schien er überhaupt nicht mehr gelangweilt zu sein . .. doch bevor er weitere Fragen stellen konnte, klingelte sein Handy.
Er langte in seine Jackentasche. „Mulder hier." Irgendwie wußte er, wer ihn sprechen wollte. Sie
mußte es einfach sein.
Dieser Fall war nicht mehr das, wonach er zuerst
ausgesehen hatte. Ziemlich merkwürdig die ganze
Angelegenheit. Es schien da einen Zusammenhang
zu geben . . . aber welchen?
Er fühlte sich an alte Zeiten erinnert. Zeiten, die
er längst für vergessen gehalten hatte.
„Mulder, ich bin es", hörte er Scullys Stimme. „Was ist los?" fragte er sie mit kaum unterdrückter
Spannung.
Während er sprach, wandte er sich von Dr. Zenzola und Craig ab, um sich wenigstens eine gewisse
Privatsphäre zu verschaffen.
„Mulder, können wir uns irgendwo treffen? Ich
habe gerade die Autopsie an dem John Doe beendet, der in der Kanalisation gefunden wurde.
Ich. .. ich habe etwas entdeckt, das Sie sich ansehen sollten."
„Was, Scully? Was?"
„Ich bin mir nicht ganz sicher. In seinem Körper
hatte sich anscheinend eine Art Parasit eingenistet.
Ich werde das noch genauer untersuchen. Wenn Sie
hier sind, weiß ich bestimmt schon mehr."
„Ich bin zur Zeit in New Jersey", teilte ihr Mulder mit. „In einer Stunde geht ein Flug nach
Washington, den erreiche ich wohl gerade noch.
Vom Flughafen komme ich dann direkt ins Labor." „In Ordnung ... In der Zwischenzeit werde ich
hier weitermachen."
„Also, bis später."
„Ja, bis dann", antwortete Scully und hängte ein.
Mulder steckte das Handy wieder in seine Tasche, doch Scullys Stimme wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen. Diese Aufregung - wie bei einer Jagd. Wie früher, als sie noch Hand in Hand arbei
ten durften.
Innerlich mußte er grinsen. Vielleicht hatte sie
denselben Eifer auch bei ihm gespürt.
Craigs Stimme riß ihn aus seinen Gedanken.
„Wann komme ich hier raus? Ich möchte nach
Hause", fragte er die Ärztin.
Wollen wir das nicht alle? dachte Mulder. Auf einmal freute er sich auf seinen Flug nach Washington.
Da piepte sein Handy wieder.
Was kann Scully in so kurzer Zeit denn noch
gefunden haben? wunderte er sich.
„Ja?" sagte er leise ins Handy.
Doch die Stimme, die er hörte, war nicht Scullys.
Es war eine Männerstimme. Tief wie die Dunkelheit. Rauh wie Reibeisen. „Agent Mulder?"
Ja?"
„Ich denke, Sie sollten wissen, daß Sie einen
Freund beim FBI haben .. ."
„Mit wem spreche ich?" fragte Mulder hastig. Doch er bekam keine Antwort, sondern vernahm
nur ein Klicken, als das Gespräch unterbrochen
wurde.
Im Hintergrund hörte Mulder Dr. Zenzola.
Leichte Ungeduld schwang in ihrer Stimme. „Agent
Mulder, wenn Sie keine weiteren Fragen haben,
dann kann ich diesen Mann entlassen."
„Nein, er kann gehen", beschloß Mulder und
steckte sein Handy wieder ein. An Craig Jackson
hatte er keine Fragen mehr.
Es war eine ganz andere Frage, die ihn auf dem
Weg nach Washington beschäftigte.
Gedankenverloren starrte er aus dem Fenster,
während das Flugzeug durch den dunklen Nachthimmel donnerte. Wieder und immer wieder ging
ihm die anonyme Nachricht durch den Kopf: „Sie
haben einen Freund beim FBI."
Wem gehörte diese tiefe Stimme?
Wo kam er her und was wollte er von
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