Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
Vom Netzwerk:
andere war friedlich.
    Pelagia drehte sich nach der Sterbenden um und sah, dass sie sich auf magische Weise verändert hatte und nicht mehr für den Sarg taugte. Mit großen Augen betrachtete sie die kleinen Bulldoggen, und ihre Finger auf der Brust bewegten sich schwach, als wollten sie etwas ergreifen.
    Kaum hörbar fragte sie mit zitternder Stimme:
    »Und der Speichelfluss?«
    Der Bischof flüsterte Pelagia zu: »Den Arzt«, dann trat er zum Bett und setzte die beiden Welpen der Witwe auf die Brust.
    »Sehen Sie selbst. Da läuft es fadendünn.«
    Pelagia schlüpfte in den Korridor mit einer Miene, dass der Arzt, der in der Nähe stand, verstehend nickte.
    »Aus?«
    Sie schüttelte den Kopf, noch benommen von dem geschauten Gotteswunder, und zeigte schweigend: Gehen Sie hinein.
    Der Arzt blickte zwei Minuten später heraus. Seine Miene war verlegen und sachlich.
    »Das erste Mal in siebenundzwanzig Jahren Praxis«, sagte er zu den an der Tür Wartenden und rief: »He, ist da wer? Zimmermädchen! Heiße Bouillon, möglichst kräftig!«
    Der Bischof empfing Pelagia in den ihm zugewiesenen Gemächern erfrischt und vergnügt. Er hatte sich gewaschen und einen hellgrauen Leibrock angelegt und kühlen Kwass getrunken.
    »Na, was sagen die Rechtgläubigen?«, fragte er und lächelte verschmitzt. »Reden sie über die wundersame Errettung?«
    »Sie sind fast alle weggefahren«, meldete Pelagia. »Was Wunder, bei solch einem Ereignis. Es drängt sie, den Angehörigen davon zu erzählen. Aber der Adelsmarschall ist noch hier, ebenso Bubenzow und sein Sekretär.«
    »Er hat wohl den Schwanz eingezogen, der verrückte Kerl?« Mitrofani wurde ernst. »Während du, Pelagia, hier deine Zeit vertan hast, sind bei uns in Sawolshsk Dinge passiert. . .«
    Die Nonne nahm den Vorwurf ohne Murren, mit geneigtem Kopf hin. Sie trug ja wirklich Schuld – hatte den kleinen Sakussai nicht bewahren können, und wenn Frau Tatistschewa sich wieder erholte, dann nicht durch ihre Bemühungen.
    »Bubenzow hat große Anstrengungen unternommen, hat solchen Unsinn zusammengeredet und in ganz Russland solchen Lärm geschlagen, dass ich gar nicht weiß, ob ich das abwehren kann . . .«
    Und der Bischof erzählte Pelagia all das, was sie schon von Bubenzow gehört hatte, nur deutete er die Morde gänzlich anders.
    »All dieses Gerede über den Gott Schischiga ist dummes Zeug. Irgendwelche Unholde haben zwei Menschenseelen umgebracht, haben sie ausgezogen und ihnen den Kopf abgetrennt – aus Übermut oder blinder Wut oder aus sonstigen Gründen. Was gibt es auf der Welt nicht alles für Unmenschen. Aber Bubenzow hat sich gefreut und sogleich seine Fäden gesponnen. Die vorsintflutliche Chronik kam ihm dabei bestens zupass. Ich weiß selber, dass unsere Syten mehr dem Namen nach Christen sind und noch mancherlei heidnischem Aberglauben anhängen, aber sie sind ein stilles, friedliches Völkchen. Morden, das bringen sie nicht fertig, nicht mal Stehlen. Aber dieser Satan hat in wenigen Tagen den Bodensatz der menschlichen Seelen aufgerührt, hat Leute zu Ohrenbläsern und Verleumdern gemacht. Wie es im Evangelium heißt: › Dann werden sich viele ärgern und werden sich untereinander verraten und werden sich untereinander hassen. ‹ Pfui, wie scheußlich! Jetzt haben viele schon Angst, abends aus dem Hause zu gehen, und sie verrammeln die Türen zur Nacht, das hat es seit zehn Jahren nicht gegeben, seit die Räuber ausgerottet wurden. Aber macht nichts, der Satan ist die Versuchung, der Herr die Erlösung. Auf jede böse Tat folgt die Gerechtigkeit. So wie heute hier in Drosdowka.«
    Mitrofani, zum erfreulichen Thema zurückgekehrt, kam wieder in gehobene Stimmung.
    »Was meinst du, Pelagia?« Seine Augen lachten. »Ist es eine lässliche Sünde, wenn ich ein bisschen stolz bin?«
    »Wie solltet Ihr nicht«, sagte die Nonne aufrichtig. »Gott wird nicht zürnen. Ihr habt Marja Afanassjewna gerettet, und das haben alle gesehen und können es bestätigen.«
    »So ist es. Ganz besonders freut mich, dass ich dem unbekannten Schurken, der die Hunde umgebracht hat, diesem heimlichen Mörder, die Karten durcheinander gebracht habe. Der Widerling hat sich gewiss schon die Hände gerieben, dass er die alte Frau in den Tod getrieben hat, und dann dieses.« Der Bischof formte seine Finger zu dem gleichen Gebilde, das er gerade eben als Zeichen des Teufels bezeichnet hatte. »Wir sind eine kräftige Rasse. Tantchen wird noch zehn Jahre leben, mit Gottes Hilfe auch

Weitere Kostenlose Bücher