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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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Generalswitwe zu verabschieden, hätte es nicht die Gerüchte gegeben, die in der Gegend umgingen. Die Gesichter der Versammelten zeigten neben der angemessenen Trauer auch eine gewisse Aufregung, und zwei Wörter, leise ausgesprochen, waren häufig zu hören: Welpe und Testament.
    Und um Miss Wrigley war eine seltsame Bewegung, die immer spürbarer wurde. Als endgültig feststand, dass das Testament in Kraft blieb, wurde die Engländerin zum Mittelpunkt einer Art von Strudel. Flüchtig bekannte und ganz unbekannte Damen und Herren traten zu ihr, sprachen Worte des Mitgefühls und blickten ihr neugierig in die Augen. Andere mieden demonstrativ die Erbin und zeigten deutlich Missbilligung und sogar Abscheu. Die arme Miss Wrigley verlor den Kopf und lief immer wieder los, um Naina und Pjotr zu suchen, mit denen sie sich aussprechen wollte.
    Aber Naina verließ nicht ihr Zimmer, und ihren Bruder Pjotr hatte Bubenzow mit Beschlag belegt. Pelagia kam heraus, um nach dem Bischof Ausschau zu halten, und sah, wie Bubenzow den verwirrten Pjotr von den Leuten wegzog, die eine Hand um seine Schulter gelegt, mit der anderen gestikulierend. Sie hörte Satzfetzen: ». . . die Umstände untersuchen und anfechten, unbedingt anfechten«.
    Aber der amtliche Mensch hatte auch so genug zu tun. Am Morgen kam ein Eilbote im Galopp zu ihm geritten, am Mittag noch einer. Beide Male saß Bubenzow eine Weile mit ihnen in der Bibliothek, dann sprengten die geheimnisvollen Reiter ebenso verwegen wieder zurück. Es war zu sehen, dass die Untersuchung in Sachen der verschwundenen Köpfe sehr gewissenhaft geführt wurde.
    Bischof Mitrofani kam erst gegen Abend, als ihn keiner mehr erwartete.
    Pelagia trat zu ihm, um seinen Segen zu empfangen, und sagte vorwurfsvoll:
    »Marja Afanassjewna wird sich freuen. Sie hat ja so gewartet, die Arme.«
    »Macht nichts«, antwortete der Bischof. Zerstreut bekreuzigte er alle, die zu seiner Begrüßung herauskamen. »Nicht sie, der Tod hat gewartet. Dem Knochenmann schadet es nichts, ein bisschen zu ermüden.«
    Er war irgendwie unfeierlich, sachlich, als wäre er nicht gekommen, um einer Sterbenden die Letzte Ölung zu geben, sondern um die Diözese zu inspizieren oder um einer anderen dienstlichen Angelegenheit willen.
    »Lüfte die Kutsche, es ist ganz stickig drinnen«, befahl er dem Zellendiener, der neben dem Kutscher auf dem Bock saß.
    Und zu Pelagia sagte er:
    »Los, führe mich.«
    »Vater, und die heiligen Gaben?«, erinnerte sie ihn. »Sie braucht doch die Letzte Ölung.«
    »Die Ölung? Warum nicht, die kann sogar gesund sein. Vater Alexi!«
    Aus der Kutsche stieg schwerfällig ein Subdiakon in brokatenem Chorgewand, in der Hand das Hostiengefäß.
    Sie durchschritten den halb dunklen Korridor, wo an den Wänden Menschen standen und sich verneigten; Stimmen flüsterten: »Segnet mich, Bischöfliche Gnaden.« Mitrofani spendete den Segen, schien aber niemanden zu erkennen und zeigte eine konzentrierte Miene. Er schickte alle aus dem Schlafgemach und ließ nur Pelagia und Alexi bleiben.
    »Was ist, Magd Gottes, du willst sterben?«, fragte er ernst die Kranke im Bett; er redete sie mit »du« an, also sprach nicht der Neffe Mischa, sondern der strenge Seelenhirt. »Du möchtest vor den Himmlischen Vater treten? Hat ER dich denn gerufen, oder willst du von dir aus zu ihm? Wenn von dir aus, ist es eine Sünde.«
    Aber seine drohenden Worte hatten keine Wirkung auf die Leidende. Sie sah den Bischof mit starrem, finsterem Blick an und wartete.
    »Na gut«, seufzte er und zog die schwarze Reisekutte über den Kopf, darunter trug er den goldbestickten Ornat mit der wertvollen Bischofspanhagia auf der Brust. »Bereiten Sie alles vor, Vater.«
    Der Diakon stellte eine kleine Silberschale auf den Nachttisch und schüttete aus einem Beutelchen Weizenkörner hinein. In die Mitte stellte er ein leeres Räucherfässchen und legte sieben Kerzen hin. Mitrofani weihte das Salböl und den Wein, füllte das Fässchen, zündete die Kerzen an. Er bestrich der Sterbenden Stirn, Nase, Wangen, Lippen, Brust und Hände und sprach dann gefühlvoll das Gebet:
    »Vater im Himmel, Arzt Leibes und der Seele, Du sandtest Deinen Eingeborenen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, der jedwede Krankheit heilet und vor dem Tode errettet: So heile auch Deine Magd Marja von ihrer körperlichen und seelischen Breste und belebe sie mit dem Segen Deines Sohnes Christus und den Gebeten der Heiligen Mutter Gottes, der Jungfrau Maria . .

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