Al Wheeler und das unheimliche Haus
der
Sheriff einfach da, eine Handfläche fest gegen die Stirn gepreßt. Er unternahm
eine konzentrierte Anstrengung, einige Worte zu finden. »Ich glaube, ich möchte
jetzt lieber noch nicht über diese — Leute, die zur Zeit in diesem Haus wohnen,
sprechen, Wheeler, wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben. Es ist noch
ziemlich früh, und ich möchte ungern schon vor der Kaffeepause meinen Verstand
verlieren. Was ist mit diesem Lindstrom?«
»Ich war noch nicht bei ihm«,
sagte ich. »Ich dachte, es wäre vielleicht für uns von Vorteil, wenn wir
bereits über ihn Bescheid wüßten, ohne daß er etwas davon ahnt.«
»Was ist mit Parson Jones? —
Mit dem Geld? Glauben Sie, daß die Sache mit der irgendwo im Haus versteckten
halben Million wahr ist?«
»Vielleicht, Sheriff«, sagte
ich. »Ehrlich gestanden, ich habe tausend Theorien in dieser Beziehung, und
jede einzelne könnte zutreffen. Da ist noch etwas, was mich im Augenblick
beunruhigt. Ich benutze ungern das Wort >Kettenreaktion< aber hier paßt
es. Zwischen allen Verdächtigen bestehen weitreichende Zusammenhänge. Ich finde
zum Beispiel eine Verbindung zwischen zweien von ihnen heraus und habe sofort
das Gefühl, daß man mich nur darauf stoßen ließ, damit eine wirkliche, völlig
anders gelagerte Verbindung vertuscht werden kann. Irgendwie besteht das Ganze
aus einem Riesenkomplex materieller und gefühlsmäßiger Bindungen — wenn das
irgendwie sinnvoll klingt —, und dieser Komplex ist nahe am Explodieren.«
Wenn einem Polizeibeamten
derart der Mund überläuft, bietet er gewaltige Angriffspunkte, und das wußte
ich auch. Aber Lavers ergriff nicht die Gelegenheit, mir Stücke aus meinem Fell
zu reißen.
»Was geschieht, wenn dieser
>Komplex<, wie Sie es nennen, explodiert, Wheeler?« fragte er ruhig.
»Ich habe das Gefühl, als ob
sich, verglichen mit dem, was dabei herauskommen wird, Eddie Morans Fotos aus
dem Leichenhaus wie Entwürfe für ein modernes Kindererziehungsprogramm
ausnehmen werden«, sagte ich.
»Was können wir da tun?«
brummte er.
»Das ist eine verdammt gute
Frage.« Ich grinste düster. »Wie geht es Sergeant Polnik heute?«
»Seine Frau hat gestern
nachmittag gegen fünf Uhr wieder angerufen«, sagte Lavers. »Angeblich soll er
heute morgen zum Dienst kommen — ich möchte ihn bitte in Zukunft mit dieser Art
Verwendung verschonen.«
»Und ich wollte eben
vorschlagen, ihm genau diesen Auftrag zu geben, Sheriff«, sagte ich.
»Ich leite dieses Büro nicht
nach Mrs. Polniks Wünschen«, sagte er scharf. »Was meinen Sie damit?«
»Schicken Sie ihn sofort in
dieses Haus und weisen Sie ihn an, dort zu bleiben, bis ich heute nachmittag
dorthin komme.«
»Ist das der Zeitpunkt, zu dem
Ihr Komplex explodieren wird, Wheeler?« fragte er.
»Sofern Parsons Geld dort versteckt
ist, ja.«
»Glauben Sie, daß Polnik
ausreicht?« sagte er zweifelnd. »Ich kann ohne allzu große Schwierigkeiten ein
vierundzwanzigstündiges Bewachungskommando — jeweils vier Mann —
hinausbeordern.«
»Ich weiß, Sheriff.« Ich
zündete mir eine Zigarette an und benutzte dieses Manöver ebenso als
Verzögerung, wie er das mit seiner Zigarre zu tun pflegte. »Aber dann sind wir
zu offensichtlich in der Übermacht und schrecken sie ab. Sie werden warten —
und wir werden warten. Jemand wird die Sache zuerst satt haben, und das werden
todsicher wir sein. Sie können kein Bewachungskommando vierundzwanzig Stunden
in alle Ewigkeit in dem Haus lassen.«
Lavers paffte ein paar Sekunden
lang wütend an seiner Zigarre. »So wie Sie reden«, knurrte er schließlich,
»klingt es gerade, als ob es sich um russisches Roulette handelte.«
»Und Polnik drückt als erster
auf den Abzug?« Auf meiner Uhr war es fünf nach zehn. »Beinah hätte ich es
vergessen, Sheriff — Parson Jones hat mich vorhin angerufen. Er hat angeblich
über Eddie Morans Tod nachgedacht, und ich werde halb elf zu ihm ins Hotel
gehen, um mich mit ihm zu unterhalten.«
»Vielleicht hat Parson den
ersten Schuß und nicht Polnik?« Er grinste.
»Hoffentlich weiß er über die
Spielregeln Bescheid«, sagte ich besorgt, »und daß er den Lauf seiner Pistole
gegen seinen und nicht meinen Kopf halten muß.«
9
Ich trat genau zehn Uhr
neunundzwanzig aus dem Aufzug in den privaten Eingang zum Dachgartenappartement
und hoffte, Parson Jones würde meine Pünktlichkeit zu würdigen wissen.
Zehn Uhr zweiunddreißig,
nachdem ich sowohl den Summerknopf als auch meine Daumenspitze
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