Al Wheeler und das unheimliche Haus
ein,
schloß sorgfältig die Tür hinter sich und warf einen beiläufigen Blick durch
sein Büro, bevor er sich hinter seinem Schreibtisch niederließ. Er tat so, als
existierte ich gar nicht. Ich ließ ihm ein paar Minuten Zeit, um die Papiere
auf seinem Schreibtisch zu studieren, und räusperte mich dann laut. Nach dem
drittenmal wurde mir klar, daß das nichts nützte, und so setzte ich meine
einzige Hoffnung auf einen Frontalangriff.
»Guten Morgen, Sir!« Ich hatte
absichtlich meine Stimme ein wenig über Normalhöhe angehoben, so daß er nicht
vorgeben konnte, mich überhört zu haben. Aber irgendwo hatte ich dabei etwas
falsch berechnet, und meine Stimme platzte einem Vulkanausbruch gleich ins
Zimmer, mit einem Lärm, der selbst einen Tauben hätte zusammenfahren lassen.
Aber es stellte sich als
positiver Mißgriff heraus, wie man das von überentwickelten Mädchen zu sagen
pflegt. Lavers fuhr entsetzt und erschreckt zurück und schlug mit seinem
Schädel so heftig gegen die Rücklehne seines Stuhls, daß es einen angenehm
dumpfen Laut verursachte.
»Ich bin heute morgen
frühzeitig ins Büro gekommen, Sheriff«, sagte ich beiläufig, für den Fall, daß
er dies nicht bemerkt haben sollte. »Ich dachte, es gäbe da einige Punkte zu
erörtern.«
Es geht nichts über
Schwerfälligkeit. Der Sheriff bewies es durch eine so kunstvoll gespielte
Spätzündung, wie ich sie in den letzten zwanzig Jahren nicht mehr erlebt hatte.
»Na, so was!« sagte Lavers mit
heftiger Stimme, während er mich zum erstenmal direkt betrachtete. »Wenn das
nicht Lieutnant Wheeler ist, der uns einen Besuch abstattet! Was für ein
unerwartetes Vergnügen! Bleiben Sie lange in der Stadt, Lieutnant? Oder sind
Sie nur auf der Durchreise — wie gewöhnlich?«
»Das war eine großartige Szene,
Sheriff, wirklich«, sagte ich in eisigem Ton. »Was bringen Sie denn nächste
Woche? Vielleicht Blick zurück im Zorn? Ich kann’s kaum erwarten.«
Er begann, in der obersten
Schreibtischschublade nach einer Zigarre zu suchen — und zugleich nach einer
passenden Antwort, vermutete ich. Anscheinend fand er beides. »In der
vorletzten Nacht hatten wir einen Mordfall. Erinnern Sie sich vielleicht?« Er
biß mit solcher Heftigkeit das eine Ende seiner Zigarre ab, daß man hätte
meinen können, es handle sich um meine Nasenspitze.
»Gestern früh«, fuhr er mit
zunehmender Wut fort, »verließen Sie dieses Büro, um bei Parson Jones mit Ihren
Ermittlungen zu beginnen. Stimmt das, Lieutnant?«
»Und ich bin nicht zurückgekommen«,
sagte ich ungeduldig. »Warum lassen wir uns nicht gleich eine Gutschrift auf
das ausstellen, was jetzt kommt, Sheriff? Sie brüllen mich an, steigern Ihren
Blutdruck um weitere fünf Striche, und schließlich sind wir soweit, daß wir
vernünftig über den Fall reden können. Ich war gestern beschäftigt — wirklich
beschäftigt! —, und bei diesen Ermittlungen kommt eine ganze Menge mehr heraus,
als ich je vermutet hätte, und nichts davon ist erfreulich. Wollen Sie jetzt
also alles hören? Oder mich zuerst anbrüllen?«
Seine Augen waren leicht aus
dem Kopf getreten, als ich fertig war. Nachdem er ein paarmal geblinzelt und
dann eingehend seine Zigarre betrachtet hatte, für den Fall, daß sie
irgendwelche geheimen Botschaften des Agenten X enthalten sollte, nahm sein
Gesicht schließlich wieder ein normales Aussehen an.
»Ich glaube, ich möchte es
gleich hören, Wheeler«, antwortete er. »Was Sie gerade über meinen Blutdruck
gesagt haben: Glauben Sie das wirklich? Fünf Striche?«
»Mindestens!«
»Dann sollte ich wahrscheinlich
darauf achten, daß sich unsere gegenseitigen Beziehungen auf freundschaftlicher
Basis halten.« Bei diesem Gedanken ging ein Zucken des Widerwillens über sein
Gesicht. »Also los«, brummte er.
Ich berichtete ihm über mein
Zusammentreffen mit Parson Jones in dessen Dachgartenappartement und von dem
Streit zwischen ihm und seinem Sohn. Ich erzählte von Lindstrom, dem Gangster
aus Los Angeles, der, Sigmund Jones zufolge, über alles Bescheid wußte, und ich
schilderte ihm kurz die Menschen, die in Pop Livvys Haus wohnten. Ich versuchte
krampfhaft, sie ihm wirklich als Menschen zu schildern — wenn sie auch,
vielleicht ein wenig exzentrisch waren, aber doch immerhin Menschen. Es nützte
trotzdem nicht viel. Als ich fertig war, sahen Lavers’ Augen wie zwei geradewegs
in zwei mit Ungläubigkeit bis zum Rand gefüllte Untertassen geplumpste Steine
aus.
Eine ganze Weile saß
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