Al Wheeler und der Tanz in den Tod
deprimierender. Ein
Bursche wie Solon mußte eine Vorstrafenliste haben, überlegte ich. Er sah
einfach nicht ausreichend gerissen aus, um sich Scherereien vom Leib zu halten
und trotzdem seinen sadistischen Neigungen nachgehen zu können, die er
befriedigen mußte wie ein Rauschgiftsüchtiger seine Gier nach Heroin.
»Na?« Er kratzte sich irgendwo
im Zentrum seiner dichten schwarzen Locken. »Wollen Sie mich vielleicht auf die
Polizeistation bringen und mich mit Hilfe des dritten Grades zu einer Antwort
zwingen, Polyp ?« Er kicherte erregt. »Dazu bedarf es
mehr verdammter Polypen, als Sie hier in diesem Kuhnest überhaupt auf treiben können !«
»Sie sollten mal zur
Abwechslung etwas Nützliches tun, Solon«, sagte ich liebenswürdig. »In einer
Stadt wie dieser gäbe es eine ganze Menge nützlicher Jobs für einen Burschen
wie Sie. Mit diesem Anzug könnten Sie sich sogar als Leuchtturm verdingen !«
Sein Gesicht verzerrte sich in
bestialischer Wut, er knurrte tief in der Kehle, und dann begann sein ganzer
Körper zu zittern — und vielleicht war es nicht einmal Wut, sondern erregte
Vorfreude, nahe verwandt mit sexueller Anregung, die ihn zittern ließ. Die
behaarten Finger krümmten sich schwach auf der Tischplatte.
»Ich habe es Ihnen vorhin schon
gesagt, Lieutenant .« Amandas Stimme zitterte. »Lee hat
ein heftiges Temperament! Sie dürfen ihn nicht...«
»Dieses kleine Stück Blech, das
ich Ihnen gezeigt habe, gibt mir das Recht, mich immer und überall zu
verteidigen, wenn er mich angreift, auch mit einer Pistole, wenn es keine
andere Möglichkeit gibt. Und Ihr kleiner Gorilla weiß das auch !« Ich grinste in sein zuckendes Gesicht. »Stimmt’s, Solon ?«
Er packte plötzlich sein Glas
und schmetterte es gegen den Rand des Tisches, so daß es zersplitterte und er
den Fuß fest in der Hand behielt, aus dem ein tödlich glitzernder Ring
messerscharfer Stalagmiten herausragte. Dann zögerte
er, und zwar hauptsächlich, weil er in diesem Augenblick genau in den Lauf der Achtunddreißiger blickte, die ich aus dem Gürtelholster
gezogen hatte, als er das Glas ergriffen hatte.
»Lassen Sie es fallen«, sagte
ich leise. »Sonst schlafen Sie heute nacht in einem
Gefrierfach .«
Langsam lockerte sich der Griff
der brutalen Finger, und das zerbrochene Glas fiel auf den Boden. Ich wurde mir
der plötzlichen peinlichen Stille in der Bar bewußt, und mein alter Freund — der
witzige Barkeeper mit der Knollennase — befand sich auf dem Weg zu unserem
Tisch, zielbewußt einen Baseballschläger in der
rechten Hand. Ich steckte meine Pistole weg und hielt ihm meine Dienstmarke
unter die Knollennase, bevor er Gelegenheit fand, seinen witzigen Mund
aufzumachen.
»Alles in bester Ordnung«,
sagte ich. »Gehen Sie hinter ihre Bar, und wässern Sie noch ein paar weitere
Drinks .«
»He!« Er schielte ungläubig auf
meine Marke. »Sie sind Lieutenant !«
»Ich weiß«, knurrte ich. »Wenn
Sie Lust haben, ein Exbarkeeper zu sein, brauchen Sie
bloß noch ein paar alberne Bemerkungen zu machen .«
Er stolperte in sein eigenes
wasserdichtes Gehege zurück und überließ mich meiner auf Solon gerichteten
Konzentration, die ohnehin nicht nachgelassen hatte, denn ich war überzeugt,
nur einmal die Augen von ihm abwenden zu müssen, um in null Komma nichts als
Frikassee à la Wheeler zu enden.
»Gehen Sie in Ihr Hotel zurück
und schlafen Sie sich gut aus«, sagte ich zu ihm. »Ein im Wachstum begriffenes
Monstrum wie Sie braucht jede Menge Schlaf .«
Solon stand mit völlig
verdutztem Gesicht schwerfällig auf und taumelte davon wie ein Nachtwandler.
Neben mir stieß Amanda Wardring einen langen, zitternden Seufzer aus und zündete
sich mit bebenden Fingern eine Zigarette an.
»Ich finde ihn reizend«, sagte
ich. »Haben Sie ihn bekommen, als Ihr schwarzer Lieblingspanther starb ?«
»Er ist ein Freund«, sagte sie
mit schwacher, angestrengter Stimme. »Meistens habe ich keinerlei
Schwierigkeiten mit ihm — ich kann ihn in der Regel bei seinen gräßlichen Ausbrüchen im Zaum halten — , aber nach dem, wie Sie ihn gereizt haben, hatte ich keine Chance mehr,
Lieutenant.«
»Sie haben das mißverstanden , es war umgekehrt«, sagte ich. »Aber das
spielt keine Rolle. Wenn Sie eine besondere Vorliebe für seltsame Freunde wie
Lee Solon haben, so ist das vermutlich Ihr Privileg. Wie steht es mit Anton Leckwick ? War er auch nur ein Freund, ob seltsam oder nicht ?«
»Ja, Anton war ein Freund«,
sagte sie scharf.
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