Al Wheeler und der Tanz in den Tod
lassen.
Ihre langen Tänzerinnenbeine waren nackt, und die schwarzen Ballettschuhe
verbargen ihre Füße.
»Es ist Ihre eigene Schuld,
wenn Sie uns so spät besuchen — es ist bereits nach elf. Alle übrigen sind ins
Bett gegangen«, sagte sie forsch. »Sie werden also mit meiner Gesellschaft
vorliebnehmen müssen .«
»Das finde ich grandios«, sagte
ich galant.
»Ich bin mitten in einer
Übung«, sagte sie. »Sie können sich also mit mir unterhalten, bis ich damit
fertig bin, dann können wir ein Glas Whisky oder sonst etwas Gewagtes trinken.
Okay?«
»Großartig !« sagte ich.
Sie ging voran durch den
Korridor, und das elastische Wippen ihres hochsitzenden kleinen, gerundeten
Hinterteils versetzte mich sofort in eine Art Trancezustand. Wir traten in
einen kleinen, kahl wirkenden Raum, der unmittelbar vor dem Wohnzimmer lag.
» Cissie hat das hier als Übungsraum für uns eingerichtet«, erklärte die Ballerina.
»Bitte warten Sie hier auf mich, ich bin in einer Minute wieder da .« Ihr Mund verzog sich zu einem gespielt zimperlichen Lächeln. »Ich muß mich umziehen«, sagte sie und schlug sich leicht auf eine
Hinterbacke. »Die hier ist mir mitten in einer sissone aufgeplatzt .«
Ich rauchte eine Zigarette,
während sie für die Zeit, die eine Frau unter einer Minute zu verstehen pflegt
und die näher bei fünf lag, verschwunden blieb. Dann erschien sie mit neuen
weißen Jerseyhöschen ; zum Glück sahen sie so aus, als
schwebten sie ebenfalls in Gefahr, mitten in einer sissone zu platzen — was immer das sein mochte. Ich erkundigte mich danach.
»Eine scherenartige Bewegung
der Beine«, sagte sie lässig. »Sie verstehen wohl nichts von Ballett,
Lieutenant ?« Ihre Patriziernase rümpfte sich
angewidert. »Müssen wir eigentlich so formell miteinander verkehren, nur weil
Sie ein Bulle sind ?«
»Al«, sagte ich. »Nein, ich
verstehe nichts von Ballett .«
»Dann werde ich Ihnen einiges
an der barre zeigen«, sagte sie großzügig.
»Und Sie können mich Natasha nennen .«
Sie ging zu dem hölzernen
Geländer, das horizontal die eine Wand entlang verlief, legte die eine Hand
darauf und blieb vor dem an der gegenüberliegenden Wand eingelassenen riesigen
Spiegel stehen, so daß sie sich die ganze Zeit über selbst beobachten konnte.
Dann stellte sie die Füße auswärts, hob den freien Arm mit einwärtsgekehrter Hand über den Kopf und begann, rhythmisch ihre Knie zu beugen und zu strecken.
»Das ist eine Übung zur Erwärmung der Muskulatur und heißt plié .«
Sie arbeitete sich durch eine
ganze Reihe von Übungen hindurch und gab dabei die entsprechenden Erklärungen
ab, so daß ich die Grundbegriffe einer für mich gänzlich neuen Sprache lernte. Jeté war ein Sprung, tendu bedeutete ausgestreckt oder gedehnt; en avant hieß, daß die Arme im
Verhältnis zum Körper der Tänzerin nach vorne, derrière nach hinten gestreckt wurden.
Nach einiger Zeit trat sie in
die Mitte des Raums und vollführte eine Reihe schwindelerregender Schritte. Glissade war ein gleitender Schritt, eine arabesque bedeutete, daß der Oberkörper nach vorne gebeugt und ein Bein nach hinten in
die Luft gehoben wurde, und ein divertissement war ein Tanz, konnte aber auch eine Reihe von Tänzen, ja ein ganzes Ballett
sein.
Der Höhepunkt der Vorführung
stellte ein tout en l’air dar, was bedeutete, daß der Körper in der Luft eine vollständige Drehung
beschrieb. Dies war meistens Sache von männlichen Tänzern, erklärte mir Natasha
mit anziehender Bescheidenheit, und sie begann und endete mit einer dieser
Kniebeugen — in der fünften Position. Mein unschuldiges Gemüt fand, daß das
Ganze einen deutlich erotischen Anstrich hatte, und ihr weißer Sweater und die
Höschen trugen nicht dazu bei, diesen Eindruck zu zerstören. Natasha erzählte
mir zudem, daß manche Tänzer zwei Drehungen in der Luft fertigbrächten, und
alle Jubeljahre einmal gäbe es einen virtuosen Tänzer, dem drei gelängen.
Gleich darauf führte sie einen zweiten tout en l’air aus, und ihre wirbelnde Gestalt
vollbrachte drei Drehungen in der Luft, bevor sie wieder in der erforderlichen
Kniebeuge auf dem Boden landete.
Damit war die Vorführung
beendet. Natasha marschierte triumphierend ins Wohnzimmer, wohin ich ihr in
respektvollem Abstand folgte; wir landeten schließlich vor der Bar am anderen
Ende des Raums.
»Sie können Ihre Anerkennung
für die exklusivste Vorstellung, die diese Ballerina je gegeben hat, dadurch
beweisen, daß Sie den
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