Al Wheeler und die Callgirls
etwas, worauf man sitzen kann.«
»Ich hätte mich da direkt
täuschen können«, sagte sie langsam. »Von hier aus sieht sie aus wie eine
völlig neue Lebensweise.«
»Wir brauchen was zu trinken
und ein bißchen Musik zur Untermalung«, sagte ich schnell. »Was wollen Sie
hören?«
»Ihre Stimme, aber nur aus zwei
Meter Entfernung«, antwortete sie prompt.
»Ha-ha!« Ich lachte höflich,
während ich zum Hi-Fi ging. In den Wänden sind fünf Lautsprecher eingebaut und
dazu ein ganzes Durcheinander von Tonreglern und Verstärkern und dies und das,
und vor allem ein automatischer Plattenwechsler, der dafür sorgt, daß das Gerät
ausreichend lange Musik von sich gibt. Ich traf eine schnelle Auswahl, wobei
ich mich auf verflossene Erfahrungen stützte, und legte einen Stapel Platten
auf. Spanische Gitarrenklänge durchfluteten das Zimmer mit langsamen,
aufreizenden Rhythmen, bevor ich in die Küche ging. Als ich mit den Drinks
zurückkehrte, stand sie noch an genau demselben Fleck in der Mitte des Zimmers.
Das war der erste Schlag.
Sie nahm zögernd das Glas aus
meiner Hand und starrte dann auf den Inhalt, als ob sie überzeugt sei, daß es
sich dabei um ein unverdünntes Aphrodisiakum auf Eis handelte.
»Warum setzen Sie sich nicht?«
fragte ich höflich.
»Ich bin nicht müde!« Ihr
Lachen war eine Oktave zu hoch. »Ich stehe wahnsinnig gern und — und trinke!
Wirklich, Al. Auf diese Weise dringt der Alkohol schneller in meine Füße und—«
»—es gibt nichts Besseres für
müde Füße als eine Massage mit Alkohol?«
»Ja!« Ihr Gesicht hatte einen
verkniffenen Ausdruck. »Es ist dunkel hier.«
»Wie können Sie so etwas
sagen?« Ich blickte sie vorwurfsvoll an. »Erst neulich habe ich eine brandneue
Fünfzehn-Watt-Birne in diese Tischlampe geschraubt.«
»Wirklich?« In ihre Augen trat
ein gehetzter Ausdruck. »Darf ich Ihr Telefon benutzen, Al?«
Ich warf einen Blick auf ihr
Gesicht und wußte, daß sie mir nicht glauben würde, wenn ich sagte, daß es
nicht in Ordnung sei. Ich wußte nicht mehr, was aus dem zweiten Schlag geworden
war, aber dies war entschieden der dritte.
»Klar!« Ich schluckte mühsam.
»Nur zu.«
Sie eilte durchs Zimmer und
griff nach dem Telefonhörer, als wäre es ein Rettungsring. Ich schaltete das
Hi-Fi ab, trank mein Glas mit einem einzigen rebellischen Schluck leer und
strebte zur Küche, um es erneut zu füllen. Ich kam gerade rechtzeitig zurück,
um zu sehen, wie Toni auflegte. Sie drehte sich mit nervösem Lächeln zu mir um.
»Ich glaube, meine deduktiven Fähigkeiten sind ebenso gut wie Ihre.«
»Wieso?« fragte ich.
»Doris.« Ihr Gesicht war
vergrämt. »Sie hat einen Freund bei sich, der bei ihr übernachtet. Ein neuer
Fotograf, der sie als Starmodell für irgendwelche hochkarätigen italienischen
Modelle herausbringen möchte. Er habe den Auftrag von einer Zeitschrift
bekommen, sagt Doris. Er könne sie berühmt machen. Und ich verstände doch,
nicht wahr?«
»Wird das nicht schlecht für
ihre Figur sein?« fragte ich unschuldig.
»Auch damit habe ich’s
versucht.« Sie schüttelte unglücklich den Kopf. »Doris behauptet, Alexi — der
neue Fotograf — garantiere, daß die Kosakenmethode, die als Familiengeheimnis
von seinem Großvater, der Großherzog gewesen ist, weitergegeben wurde, nicht
nur therapeutisch wirksam sei, sondern auch zugleich schlank mache.«
»Die Kosakenmethode?« murmelte
ich. »Sie haben nicht zufällig gefragt...«
»Nein.« Sie schüttelte hastig
den Kopf. »Doris ist ein sehr scheues Mädchen.« Sie wurde sich des Glases
bewußt, das sie nach wie vor mit der Hand umklammert hielt, und nippte
vorsichtig daran. »Scotch?«
»Aphrodisiakum«, sagte ich.
»Ein Geheimrezept von meinem Großvater, der unter dem Namen Satyr von St.
Paul, Minneapolis, und aller weiter westlich liegenden Orte bekannt war.
Ein einziger Schluck garantiert, daß das Mädchen in wildem Wahn alle Kleider
vom Leibe reißt und sich auf die Couch wirft. Besonders wirkungsvoll ist das
Ganze, wenn es zur Musik von spanischen Gitarren getrunken wird.«
Sie kicherte unaufhaltsam und
mußte sich schließlich zur Erholung auf die Couch setzen. Ich überlegte, ob ich
mich neben sie setzen sollte, und entschied dann, daß man sein Glück nicht
allzusehr aufs Spiel setzen sollte.
»In dem Augenblick, als ich
hereinkam, hatte ich das unangenehme Gefühl, als ob hier alles zu gut
arrangiert sei.« Sie wischte sich die Augen. »Aber ein Verführer mit Humor —
mit dem
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