Al Wheeler und die Callgirls
langsam
zurück. Ich ging an ihm vorbei in den Korridor hinaus und sah, daß Merle mir
bereits die Haustür aufhielt.
»Ich wette, Sie haben ihn
wieder völlig aus dem Gleichgewicht gebracht«, schnaubte sie. »Gestern abend
hat er kaum was gegessen.«
»Aber ich wette, daß Sie sich
die Bananencremespeise nicht entgehen ließen?«
Ihre Augen weiteten sich vor
Überraschung. »Woher wissen Sie davon?«
»Merle, Süße«, ich tippte
sachte mit einer Fingerspitze gegen ihre sich wölbende Taille, »man sieht es
Ihnen an.«
Ich fuhr die paar Kilometer
weiter ins Valley zum Kutterschen Haus und dann weiter bis zu dem Punkt, wo die
hohe Backsteinmauer, die das Grundstück umschloß, endete. Während der nächsten
zweihundert Meter lag die einzige Baumgruppe, die ich sehen konnte, etwa
vierhundert Meter weit von der Straße zurück; und ich fand, daß sie doch nur
auf vier Rädern zu erreichen war. Dann wendete ich den Healey, kehrte zur
Zufahrt zurück und hielt ein paar Sekunden später vor dem Haus.
Das Mädchen öffnete die Tür;
und für eine Buhlerin, die erst in der Nacht zuvor mein Bett mit mir geteilt
hatte, sah sie bei meinem Anblick bemerkenswert wenig begeistert drein.
»Hallo, Toni!« Ich ließ ihr
mein magnetisch anziehendes Lächeln zukommen — das, welches ich beim Rasieren
immer vor dem Spiegel übe und deshalb soviel Blut verliere.
»George Kutter ist gegen drei
Uhr heute nachmittag zu sich nach Hause zurückgekehrt«, sagte sie lustlos, »und
Mrs. Kutter hat schwere Schlafmittel genommen, schläft und darf nicht gestört
werden. Anweisung des Arztes.«
»Welchen Arztes?«
»Doktor Rigby.«
»Hast du seine Telefonnummer?«
»Natürlich.« Sie nickte.
»Sehr gut.« Ich ging an ihr
vorüber in die Eingangsdiele. »Dann werde ich ihn anrufen.«
»Tu das.« Sie ging mir voraus
zum Telefon, suchte die Nummer in dem kleinen Buch daneben heraus und sagte sie
mir.
Ich wählte die Nummer und
sprach mit Dr. Rigby. Mrs. Kutter hatte, als er sie gegen zwei Uhr dreißig an
diesem Nachmittag aufgesucht hatte, an einem langen und ernsten hysterischen
Anfall gelitten — verständlich unter diesen Umständen —, und er hatte ihr ein
schweres Schlafmittel verabreicht und strenge Anweisung gegeben, daß sie nicht
gestört werden dürfe. Ich dankte ihm und legte auf.
»Ich selbst wollte mich heute
früh schlafen legen.« Toni lächelte schwach. »Aus irgendeinem seltsamen Grund
fühle ich mich erschöpft.«
»Toni Morris«, sagte ich, aus
der Erinnerung zitierend. »Ledig, dreiundzwanzig Jahre alt, keine Vorstrafen.
Arbeitete spaßeshalber als Callgirl, aber das Geld war ihr nützlich, um das
Taschengeld von fünfzig Dollar, das ihr ihr Vater pro Woche gab, aufzubessern.
Sie war nicht daran interessiert, einen ordentlichen Job anzunehmen, denn es
wäre ihr zu langweilig gewesen, regelmäßige Arbeitsstunden einzuhalten.«
Ein dumpfes Rot stieg in ihre
Wangen. »Du hast bei der Polizei in Santo Bahia nachgefragt?«
»Es geschah nicht absichtlich«,
sagte ich wahrheitsgemäß. »Ich wollte etwas über Miriam Kutter in Erfahrung
bringen, und plötzlich fiel dein Name.«
»Vermutlich fühlst du dich nun
reingelegt, nachdem du weißt, daß du gestern nacht mit einem ehemaligen Callgirl
geschlafen hast?«
»Warum soll ich mich reingelegt
fühlen, weil ich dich gestern nacht verführt und dann heute nachmittag
herausgefunden habe, daß du ein ehemaliges Callgirl bist?« Ich grinste sie an.
»Da müßte ich ja völlig verrückt sein. Was ich wissen möchte, ist, wie du
dazukommst, jetzt als Hausmädchen einer normalen Beschäftigung nachzugehen? Was
ist denn aus dem guten, alten, reichen, nachsichtigen Daddy geworden?«
»Der reiche, nachsichtige Daddy
ist voriges Jahr hinter die Callgirl-Episode gekommen«, sagte sie düster. »Ich
weiß nicht, wer es ihm erzählt hat, aber ganz sicher war es nicht Lieutenant
Schell, denn den mag ich, und er ist nicht der Typ, der nicht sein Wort hält.
Außerdem ist das auch nicht weiter wichtig. Der liebe Daddy wollte wissen, ob
es wahr sei; und als ich ja sagte, schmiß er mich aus dem Haus, aus seiner
Familie und seinem Leben. Ich verließ mein Zuhause mit drei Koffern und etwa
hundert Dollar Kleingeld. Die einzige Freundin, die ich auf der Welt noch
hatte, war Miriam. Also setzte ich mich mit ihr in Verbindung, und sie bot mir
diesen Job an. So einfach ist die Sache, Al.«
»Wie steht es mit Lisa
Nettheim?« fragte ich. »Hast du sie seither
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