Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamora Pierce
Vom Netzwerk:
mit den grässlichen Verletzungen und den vor Schmerzen glasigen Augen im Kopf herum. Sie erinnerte sich an jede Wunde, an jeden Knochenbruch, bis ihr langsam schlecht wurde. Sie konnte sich nicht zwingen an etwas anderes zu denken.
    Ihr Körper rebellierte. Sie rannte nach draußen und hinters Zelt, wo sie das wenige, was sie an diesem Tag gegessen hatte, wieder von sich gab. Sie bemühte sich, leise zu sein; sie wollte nicht, dass einer davon erfuhr. Von Kriegern erwartete man, dass sie sich nicht beim Anblick von Blut und Tod übergeben mussten.

    Kühle Hände strichen ihr über den Kopf und hielten sie. Als sie aufhörte zu würgen, reichte ihr Jon eine Kelle mit Wasser. Dankbar bespritzte sie sich das Gesicht und spülte sich den Mund aus.
    »Wenn es Trusty war, der dir Bescheid gesagt hat, dann ziehe ich ihm das Fell über die Ohren«, flüsterte sie mit heiserer Stimme.
    »Nein«, entgegnete Jon. »Ich kam zurück und hörte dich.«
    »Du musst mich für ein schreckliches Weichei halten.«
    Einen Augenblick lang schwieg Jon. Dann entgegnete er: »Ich habe mich nach meinem ersten Scharmützel auch übergeben.«
    Alanna sah ihren Freund verdutzt an. »Hast du nicht.«
    Er nickte. »Doch. Ich hatte nur keinen, der mir den Kopf hielt.« Er wuschelte ihr durchs Haar. »Sag es meinen Männern nicht, ja?«
    »Ich sage nichts, wenn du auch nichts sagst.«
    »Abgemacht.« Er hob die Klappe ihres Zeltes. »Sie dürfen uns ja schließlich nicht für Weicheier halten, oder?«
     
    Zwei Nächte später machte sich Alanna auf die Suche nach dem Mächtigen Thor. Er brauchte einen neuen Speer, und sie hatte einen für ihn. Er stammte von einem Mann, der in den Heilerzelten gestorben war. Der Wachhauptmann sagte ihr, Thor und Jem Tanner hielten auf der gleich unter dem Lager liegenden bewaldeten Landspitze Wache. Also machte sich Alanna auf den Weg, wobei sie den zu schweren Speer hinter sich herzerrte. Es war spät. Außer den Wachposten gingen alle schlafen. Als sie das Lager hinter sich ließ, versank alles um sie herum im Dunkel. In den nahen Bäumen konnte sie Tiere hören, und selbst das sanfte Tapsen
von Trusty, der neben ihr herging, war in der Stille zu hören. Plötzlich sauste der Kater zwischen die Bäume, die Alanna von Thors Posten trennten. Alanna folgte mit gerunzelter Stirn. Sie musste daran denken, dass Jon Einwände gegen diesen kleinen Wald vorgebracht hatte, der die Landzunge so gut abschirmte. Hier konnte der Feind mühelos übersetzen und Jonathans und Imrahs Wachsoldaten töten, sofern es ihnen nicht gelang, noch vorher Alarm zu schlagen. Jonathan war der Meinung gewesen, es sei für alle Beteiligten einfacher, wenn man die Bäume fällte. Roger hatte es dem Prinzen mit dem Argument ausgeredet, er wolle nicht, dass die Männer vom Baumfällen müde seien, wenn der Feind angriffe, was fast täglich vorkam. Sein Einwand klang vernünftig, und Jon hatte nachgegeben.
    Gerade als Alanna zwischen den schützenden Bäumen hervortreten wollte, stieß Trusty einen Warnschrei aus. Sie duckte sich hinter eine große Eiche, lugte zu der Seite hinaus, an der gewöhnlich die Wachsoldaten standen, und lauschte.
    Thor war nicht auf seinem Platz, ebenso wenig wie Jem Tanner. Stattdessen standen auf der Landzunge drei dunkel gekleidete Männer. Einer entzündete eine Fackel, während ein anderer einen Pfeil an seinen Bogen legte. Trusty schrie noch einmal und baute sich zwischen den drei Männern und Alannas Versteck auf.
    Er fauchte wütend; seine violetten Augen funkelten in der Dunkelheit.
    »Verdammtes Mistvieh!«, flüsterte der Bogenschütze und schoß seinen Pfeil los. Der verfehlte den Kater jedoch und blieb im Stamm der Eiche stecken.
    »Hör auf!«, befahl der dritte Mann. Ein anderer schwenkte
die Fackel über seinem Kopf und gab Signal zum anderen Ufer. »Mach nicht so viel Krach!«
    Alanna hörte Ruder im Fluss platschen. Länger wartete sie nicht. Sie legte den Speer ab und schlich sich, mit Trusty auf den Fersen, leise durch das Wäldchen. Als sie es hinter sich gelassen hatte, rannte sie, so schnell sie konnte, in die Richtung von Jons Lager und zu den nächsten Wachen.
    »Blast eure Hörner!«, schrie sie den Männern zu, sobald sie in Hörweite war. Japsend ließ sie sich neben ihnen zu Boden fallen. »Thor und Tanner ist etwas zugestoßen – der Feind überquert den Fluss!«
    Die Männer bliesen Alarm. Andere Hörner in beiden Lagern nahmen den Ruf auf, während Alanna zu Jonathan eilte und einen

Weitere Kostenlose Bücher