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Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamora Pierce
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Kleiner. Kannst du’s uns übel nehmen, dass wir das wissen wollen? Verschone mich mit deinem Edelmannsstolz! Erzähl uns lieber, was es in der Hauptstadt Neues gibt!«
     
    Der Tagesablauf im Lager an den Wasserfällen war unkompliziert. Morgens versorgte Alanna Jon und Myles und kümmerte sich darum, dass ihre Zelte sauber und ihre Sachen in Ordnung waren. Sie half Aram die Pferde zu pflegen und machte einen Morgenritt auf Moonlight. Das Mittagessen nahm sie mit den Soldaten ein. Zur Festung zu reiten und dort mit den Rittern zu essen war ihr zu mühsam. (Sofern sie sich bewusst war, dass sie Herzog Roger mied, so erwähnte sie es jedenfalls keinem gegenüber.) Nachmittags übte sie die Kampfsportarten. Vom Mächtigen Thor, wie ihn die anderen nannten, und seinen Freunden lernte sie Tricks im Speer- und Axtfechten. Im Kampf mit dem Dolch war sie den anderen gewachsen und im Gebrauch des Schwertes hatte sie ihnen einiges voraus. Insgesamt fand sie, dass sie einen gerechten Austausch ihres Könnens betrieben. Oft kehrte auch Myles am Nachmittag zurück. Dann gab er ihr Unterricht in Geschichte. Das hatte ihr schon immer Spaß gemacht, und jetzt, wo sie älter wurde, leuchtete ihr Myles’ pragmatische Art und Weise die Dinge zu betrachten immer mehr ein.
    Nach dem Abendessen ritten ihre Freunde, die Ritter, auf
Patrouille, und Myles und Jonathan kehrten in die Festung zurück, um mit Roger zu beratschlagen, wie man am besten gegen den Feind vorging. Alanna blieb mit den anderen im Lager. Im Verlauf dieser langen, feuererhellten Abende lernte sie eine ganze Menge: Lieder, die den rauesten Stallburschen aus dem Palast zum Erbleichen gebracht hätten; wie man würfelte, ohne den letzten roten Heller zu verlieren; ja, sogar, wann sie stillzuschweigen und zuzuhören hatte. Wohin sich Alanna tagsüber oder nachts auch wenden mochte, behielt der Mächtige Thor sie im Auge. Es war Thor, der sie davon abhielt, die Beherrschung zu verlieren, wenn Jem Tanner sie mit seinem Gerede provozierte, was der junge Mann häufig tat. Thor zeigte ihr Kunstgriffe, wie sie trotz ihrer geringen Körpergröße mit so schweren Waffen wie dem Speer und der Axt umgehen konnte. In den Nächten, wo er Wachdienst am Flussufer hatte, erzählte er ihr Geschichten von früher, als er noch Schmied in den Südbergen gewesen und dann Soldat des Königs geworden war.
    In den ersten beiden Wochen, die Alanna im Tal verlebte, wurden flussaufwärts und flussabwärts mehrere kleinere Scharmützel gefochten. Die Festung selbst wurde nie direkt angegriffen, aber sowohl Hamrath als auch Imrah erlebten tagsüber Attacken. Alanna, die in Jonathans Lager bleiben musste, kam nicht zum Kämpfen. Jonathan dagegen schon: einmal, als er Graf Hamrath besuchte; ein anderes Mal, als er Lord Imrahs Männer inspizierte. Wenn flussabwärts gekämpft wurde, bekam Alanna dies jedes Mal mit, aber es wäre ihr in keinem Fall gelungen, rechtzeitig zu ihrem Herrn und Ritter vorzustoßen. Außerdem ließen gute Soldaten nicht ihren Posten im Stich, um an anderer Stelle zu kämpfen, denn dann hätte der Feind ja ein unverteidigtes Lager
vorgefunden. Alanna konnte nur abwarten, an den Fingernägeln kauen und sich Sorgen darüber machen, ob Jon, Raoul, Gary und Myles jemals wieder zurückkehren würden.
    Schließlich ging sie eines Morgens zu Herzog Baird. Die weißen Heilerzelte lagen in einer breiten Reihe hinter der Festung, und jeder Flusspfad führte darauf zu. Baird ruhte sich gerade einen Augenblick aus, als Alanna bei ihm ankam. Das jüngste Scharmützel war eben vorbei und die Betten waren voll mit verletzten und sterbenden Männern.
    »Flussaufwärts bin ich überflüssig«, erklärte Alanna dem Obersten Heiler. »Ich muss lediglich die Rüstungen von Jon und Myles putzen, und solange die beiden sie anhaben, kann ich nicht einmal das. Wenn man mir nichts zu tun gibt, drehe ich durch.«
    Der Herzog sah sie an. »Du machst dich gern nützlich, Knappe Alan. Habe ich recht?«
    »Ich mag nur nicht meine Zeit verschwenden. Ist das dasselbe?« Herzog Baird hob ein weißes Gewand auf und warf es ihr zu. »Komm! Ich habe nicht vor, dich abzuweisen.«
    Alanna folgte dem Herzog von Bett zu Bett und tat, was er ihr befahl. Sofern sie jemals eine gute Meinung vom Krieg gehabt hatte, so war es damit bis zum Nachmittag vorbei. Männer starben vor ihren Augen und für diese Männer zählte nicht, wofür sie gekämpft hatten. Für sie zählte nur noch der Schmerz und die Ankunft des

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