Alanna - Das Lied der Loewin
sein.
»Jonathan. Georg und Frau Cooper. Coram, mein Bruder Thom. Die Heilerin in Trebond. Trusty.« Sie streichelte den Kater, der in seinem an Moonlights Sattel hängenden Korb mitritt.
Ein paar Augenblicke lang waren nur die Vögel und die Waldtiere zu hören. Garys Gesicht offenbarte nichts, aber so, wie sie ihn kannte, setzte er wohl gerade all die Bruchstücke zusammen, die ihm in all den Jahren Rätsel aufgegeben hatten. Plötzlich überzog ein breites Grinsen sein Gesicht und um seine Augen bildeten sich Lachfältchen. »Ich freue mich schon darauf zu sehen, was die für Gesichter machen werden!«, rief er und brach in Gelächter aus.
»Wer zum Beispiel?«, fragte Alanna. Dass Gary die Angelegenheit so lustig fand, verwirrte sie. Zwar hatte Jonathan genau das vorhergesehen, aber sie hatte ihm nicht glauben wollen.
»Alle miteinander!«, japste der Ritter und wischte sich Tränen aus den Augen. »Alle miteinander!«
Er lachte immer noch, als sie sich wieder in Bewegung setzten. Abgesehen von ihrer Liebesbeziehung zu Jonathan erzählte sie ihm alles.
Er war begeistert, hielt das Ganze für einen Riesenspaß und war glücklich daran teilzuhaben.
»Natürlich weise ich dich ein, wenn du das Zeremonienbad nimmst. Ich wäre beleidigt, wenn du einen anderen bätest«, erklärte er ihr, als sie mittags rasteten und aßen. »Moment mal! Dein Knappe – hast du dir schon einen ausgesucht?«
Alanna schüttelte den Kopf. »Ich habe es mit deinem Vater besprochen, und er meinte ebenfalls, es sei reine Zeitverschwendung, dass ich mir einen Knappen nehme, wo ich doch vorhabe mich gleich nach dem Mittwinterfest auf den Weg zu machen.«
»Gleich nachdem du ihnen gesagt hast, wer du bist, meinst du wohl?«
Alanna nickte. »Ich könnte sowieso keinen Knappen mitnehmen, auch wenn die Wahrheit nicht herauskäme.«
Gary zog eine Augenbraue hoch. »Du glaubst doch wohl nicht, dass sie froh sind dich loszuwerden, sobald sie die Wahrheit erfahren?«
»Meinst du nicht?«
Gary machte sich nichts vor. »Der eine oder andere«, sagte er schließlich. »Diejenigen, die dich nicht gut kennen, höchstwahrscheinlich schon. Aber deine Freunde? Ich glaube, du beurteilst sie zu streng.« Er sprang auf und packte mit ihr zusammen die Satteltaschen wieder voll. »Ich kann es kaum erwarten!«
Jon war erleichtert und etwas eifersüchtig, als er an diesem Abend Alanna und Gary lächelnd und unbefangen beim Abendessen sah. Sofort erzählten sie ihm, was passiert war. Somit hatten die drei etwas, worüber sie in diesem langen Sommer heimlich reden – und lachen – konnten. Diese Gespräche taten Alanna gut. Da sie so daran gewöhnt war, ihre Maskerade als eine Sache auf Leben und Tod zu betrachten, hatte sie nie gelernt, darüber zu lachen. Gary, Jonathan und Georg brachten es ihr bei, und so kam sie durch ihre Freunde zu neuen Einsichten über das, was sie getan hatte, und auch über die Menschen, die ihr am nächsten standen. Dadurch verlor der Gedanke daran, die Wahrheit sagen zu müssen, etwas von seinem Schrecken.
Für alle, die Alanna kannten, schien sie sich in den Monaten zwischen ihrem achtzehnten Geburtstag und dem Mittwinterfest zu verändern. Noch immer war sie im Unterricht aufmerksam, erledigte gewissenhaft ihre Pflichten, aber es war offensichtlich, dass sie mit den Gedanken anderswo war. Oft schlich sie sich verkleidet in die Stadt und ging zum Tempel der Großen Muttergöttin, um sich zu besinnen. Es gab vieles, worüber sie nachdenken musste – Jon, Georg, Thom, Herzog Roger, den richtigen Zeitpunkt, um dem König und der Königin die Wahrheit zu sagen –, vor allem aber war sie mit den Gedanken bei der eisernen Tür des Prüfungsraumes. Warum sie diese Tür so fürchtete, wusste sie nicht so recht. Sie wusste nur, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben am liebsten die Zeit angehalten hätte. Sogar der Gedanke, dass sie die Prüfung ja vielleicht überstand und dann auf Abenteuersuche gehen konnte, machte ihr keine Freude mehr. Sie hatte den Palast und die Menschen dort lieben gelernt und wusste, dass sie sie vermissen würde. Tatsächlich
war sie gar nicht mehr so sicher, ob sie überhaupt weggehen wollte.
»Dann bleib doch da«, riet Myles, als sie es erwähnte. »Die meisten jungen Ritter kämpfen im Dienst des Königreichs, sobald sie ihren Schild erlangt haben. Sicher werden Herzog Gareth und Seine Majestät überglücklich sein, dich hierbehalten zu können.«
Alanna schüttelte den Kopf. Das
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