Alanna - Das Lied der Loewin
machte sich auf den Weg in die Dunkelheit.
Es kam Alanna so vor, als sei eine Ewigkeit vergangen, bis sie in der Herberge anlangten. Barsch gab sie den Pferdeknechten Anweisungen und sah besorgt zu, wie sie Georg vom Pferd hoben und nach drinnen trugen. Das Angebot der Herbergswirtin, nach einem Heiler zu schicken, lehnte sie mit der kurzen Erklärung ab, sie besitze selber die Heilgabe. Sofort wurde ihnen ein Zimmer hergerichtet; ein Dienstmädchen brachte Branntwein, kochendes Wasser und saubere Tücher. Alanna machte sich daran, die Wunde zu reinigen und zu verbinden, und sprach dann ihren mächtigsten Heilzauber. Vom Kampf und vom Zaubern erschöpft, hielt sie bis spät in die Nacht hinein bei Georg Wache. Seine Gesichtsfarbe gefiel ihr nicht. Er hatte so viel Blut verloren ...
»Stirb mir nicht weg«, flüsterte sie, als die Uhr Mitternacht schlug und er sich immer noch nicht rührte. »Es ist doch nur eine kleine Schulterwunde. Göttin, Georg – stirb mir nicht weg!«
Seine Lider flatterten; er öffnete die Augen und lächelte. »Ich wusste nicht, dass dir was an mir liegt«, flüsterte er.
»Und warum willst du mich beleidigen? Ich sterbe nicht wegen so ’nem winzigen Kratzer – ich hab schon Schlimmeres überlebt.«
Alanna wischte sich über die nassen Wangen. »Natürlich liegt mir was an dir, du gewissenloser Dieb!«, flüsterte sie. »Natürlich.«
An ihrem achtzehnten Geburtstag weckte Trusty sie kurz nach dem Morgengrauen. Steh auf und zieh dich an, erklärte ihr der Kater. Du willst doch nicht, dass die Überraschung, die sie planen, nicht nur für dich, sondern auch für sie eine Überraschung wird. Jonathan sagte, du sollest dich beeilen!
Alanna stopfte sich eben das Hemd in die Kniebundhose, als der Prinz an ihre Tür klopfte. »Bist du präsentabel, Knappe?«, wollte er wissen.
Alanna riss die Tür auf. »Ich bin immer präsentabel, Oberherr«, entgegnete sie. Dann sah sie, dass Gary, Raoul und Alex bei ihm waren. »Meint ihr nicht, dass es noch ein bisschen früh ist?«, murrte sie.
Mit großen Paketen beladen kamen sie hereinmarschiert. »Nein, meinen wir nicht, nörgle nicht so rum«, sagte Gary und schlug ihr auf die Schulter. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.«
Die jungen Männer häuften ihre Geschenke aufs Bett und drehten sich zu Jonathan um. Er warf ihnen einen finsteren Blick zu. »Ich dachte, Raoul wollte es Alan erklären?«
»Du kannst besser Reden führen als ich«, sagte Raoul.
»Was sie versuchen dir nicht zu sagen«, erklärte Gary geduldig, »ist, dass wir uns abgesprochen und beschlossen haben, unser zukünftiger Held müsse ordentlich ausgerüstet sein.« Er deutete auf die Pakete auf dem Bett. »Die Geschenke
sind von uns, vom König, der Königin, meinem Vater, Herzog Baird, Douglass, Geoffrey, Sacherell – habe ich einen vergessen?«
»Ich glaube nicht«, sagte Alex.
»Myles sagte, er wolle verdammt sein, wenn er zu dieser Stunde aufstünde, aber wenn du in die Ställe gingst, fändest du etwas von ihm«, fügte Raoul hinzu.
Jonathan übergab Alanna das größte und schwerste Paket. »Mach schon«, drängte er, als sie es bloß anstarrte. »Es ist für dich.« In dem Paket befand sich das leichteste Kettenhemd, das Alanna je in der Hand gehabt hatte. Es war vergoldet. In den anderen Paketen waren ein vergoldeter Helm, ein mit Amethysten besetzter Gürtel aus Golddraht, weiche Glacé-Reithandschuhe, eine goldbesetzte Scheide für Blitz mit passendem Dolch und vergoldete, zum Kettenhemd passende Beinkleider. Alanna öffnete schweigend die Pakete. Das kleinste Päckchen von »Vetter Georg« enthielt einen Ring mit einem in mattes Gold gefassten schwarzen Opal.
Ehrfürchtig und fast erschrocken über diese liebevoll ausgesuchten Geschenke sah sie die anderen an. »Ich ... ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Sag gar nichts«, riet ihr Jonathan. »Geh und schau dir Moonlight an.«
Myles hatte ihr eine komplette Ausrüstung aus sauber gearbeitetem, mit Gold besetztem Leder für die Stute geschenkt. Moonlight zeigte ihre Freude mit einem schrillen Wiehern, während Trusty, in einem für ihn am Sattel befestigten Korb hockend, zufrieden schnurrte. Alanna heulte vor Glück, doch sie verbarg das Gesicht in Moonlights Mähne, und so merkte es keiner.
Und keiner wollte ihren Dank. Die jungen Männer befahlen
ihr, still zu sein, oder ihnen – falls sie sich unbedingt erkenntlich zeigen wollte – den Text der schlüpfrigen Lieder beizubringen,
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