Alanna - Das Lied der Loewin
zu sagen, doch glücklicherweise sagte er es, als er mit Alanna und Trusty allein war.
»Da denk ich mir, ich lass dich an ’nem recht ruhigen Fleckchen zurück«, begann er, als er im Zelt seine Sachen auspackte. Alanna schaute zu und kraulte Trusty an den Ohren. »Du warst noch nicht bekannt genug hier, um dir Schwierigkeiten einzuhandeln, und ich war sicher, dass sie dich in Ruhe lassen. Aber dann komm ich wieder und du bist die verdammte Schamanin vom Stamm, hast drei Kinder angenommen und verlangst von den Frauen, dass sie sich mit ansehen, wie zwei von ihnen mit den Männern am Feuer hocken ...«
»Du läufst gerade dunkelrot an«, kommentierte Alanna, als Coram eine Pause machte, um Luft zu holen.
»Kannst du nicht mal ein paar Wochen hinter dich bringen, ohne dass du Ärger machst?«, bellte er.
»Ich hab nicht darum gebeten, dass mich Ibn Nazzir attackiert«, sagte sie. »Aber er tat es, und ich brachte ihn um. Ich konnte doch den Stamm nicht ohne Schamanen lassen, oder was meinst du? Da ich nicht vorhabe, mich vom ersten Rivalen, der hier auftaucht, umbringen zu lassen, da ich zudem nicht plane, für immer und ewig hierzubleiben, habe ich mir drei Lehrlinge ausgesucht. Es ist nicht meine Schuld, dass zwei davon Mädchen sind. Es ist aber so. Der Stamm muss sie mit Respekt behandeln, wenn sie jemals gute Schamaninnen werden sollen. Ich hätte nicht nur Ishak allein auswählen können. Was ist, wenn ihm etwas zustößt? So oder so müssen alle drei unterrichtet werden, und der Brauch – ist dir aufgefallen, dass es einfacher ist, die Gesetze des Königs zu übertreten als die Bräuche der Bazhir zu missachten?
– , der Brauch will, dass ich sie unterrichte. Außerdem ist es dumm, nur einen Schamanen zu haben, wenn man drei haben kann.«
Coram setzte sich schwerfällig hin und nahm den Branntwein entgegen, den sie ihm einschenkte. Sein breites, sonnengebräuntes Gesicht war von Sorgenfalten durchzogen. »Mädchen«, sagte er müde. »Da hast du diesen Leuten aber ganz schön was eingebrockt. Jahrhundertelang haben sie sich nicht verändert und jetzt zwingst du sie, Dinge zu akzeptieren, die nicht mal dein eigenes Volk akzeptieren kann – jedenfalls nicht so ohne weiteres.«
»Verstehst du denn nicht? Für die Bazhir bin ich eine Legende. Von mir lassen sie sich Dinge gefallen, die sich kein anderer erlauben dürfte. Ich verlange ja auch nicht von ihnen, dass sie sich aus irgendwelchen idiotischen Gründen ändern. Sie wissen, dass es möglicherweise das Überleben des Stammes sichert, wenn sie drei Schamanen haben. Sogar die Frauen fangen langsam an die Mädchen zu akzeptieren. Zumindest Mari Fahrar.«
Coram leerte seinen Becher und schüttelte den Kopf, als sie nachschenken wollte. »Ich mach mir Sorgen um dich«, gestand er. »Ich hasse es, mit ansehen zu müssen, wie du ewig ein Fremdling bleibst. Du bist ein komisches Mädchen, aber für mich ist es so, als wärst du mein eignes Fleisch und Blut, und ich will, dass du glücklich bist.«
Alanna setzte Trusty ab und nahm ihren Freund in die Arme. »Ich fühle mich nicht als Fremdling hier«, sagte sie. Dabei wischte sie sich die Augen. »Mir kommt es vor, als kennte ich diese Leute schon ewig – vielleicht schon mein ganzes Leben. Ich bin nicht immer mit ihnen einer Meinung, aber ich begreife sie.«
Gerührt von ihrer Zuneigung erkundigte sich Coram: »Setzt du dich also auch bei Sonnenuntergang mit der Stimme der Stämme in Verbindung? Auf der ganzen Strecke bis zur Stadt mussten wir jeden Abend haltmachen, damit Hakim in sein Feuer starren konnte.« Er schauderte, während er seine Satteltaschen zu Ende auspackte. »Das war echt gruselig.«
Alanna hob Trusty wieder hoch und setzte ihn auf ihre Schulter. »Nein, das mache ich nicht«, sagte sie. »Das wäre fast so, als gäbe ich Ali Mukhtab einen Teil von mir. Ich will aber nicht, dass irgendeiner einen Teil von mir besitzt. Zumindest jetzt noch nicht.«
»Nicht mal Prinz Jonathan?«, fragte Coram verschmitzt.
Alanna wurde knallrot, und Coram lachte. »Er sagte, ich soll dir ausrichten, dass ihr euch bald wiederseht. Was irgendwie damit zusammenhängt, dass ihm Ali Mukhtab irgendetwas beibringen muss. Ach, ich hab ja Briefe für dich. Von Lord Thom und Sir Myles.« Einen Augenblick lang kämpfte er mit sich, dann gab er nach. »Dann hab ich da noch einen.« Er zog ihn unter seinem Wams hervor und reichte ihn Alanna widerstrebend. »Ich hätt ihn auf der Stelle verbrennen sollen, als
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