Alanna - Das Lied der Loewin
haben? Bei den Göttern, nein! Thayet kann besser kochen als du«, sagte Liam.
»Zum Dach der Welt«, flüsterte Thayet. Ihr Gesicht hellte sich auf.
»Fort von Sarain?«, sagte Buri strahlend. »Ihr braucht mir bloß den Weg zu zeigen!«
Eine der Töchter schüttelte sie wach. Ein Blick zum Fenster zeigte Alanna, dass gleich der Tag anbrechen würde: Zeit für Liams Unterricht. Sie warf dem Drachen einen fragenden
Blick zu (zwei Tage nach dem Überfall auf das Banditenlager hatten sie wieder angefangen, das Bett miteinander zu teilen), aber er zuckte nur die Achseln und warf Alanna ihre Kleider zu. Sie zogen sich an und folgten der Priesterin hinaus in den Korridor.
Die schwarz gekleidete Tochter erwartete sie gemeinsam mit Buri, Thayet und Coram. »Wir dürfen keine Zeit verlieren«, erklärte sie ihnen leise. »Zhir Rayong, der zhir Anduo treu ergeben ist, weiß, dass Thayet hier ist, und er ist schon unterwegs. Meine Leute können ihn drei Stunden lang aufhalten, aber wenn ihr entkommen wollt, müsst ihr jetzt aufbrechen.«
Alanna sah ihre Freunde an und überlegte fieberhaft. »So wie wir sind, können wir nicht gehen. Wenn bekannt wird, dass wir weg sind, werden alle nach einer Gruppe von Edlen oder nach dem Drachen und seinen Freunden suchen. Ich kann als Junge reiten.« Grinsend sah sie auf das Hemd und die Kniehosen hinunter, die sie trug. »Die Göttin weiß, dass ich darin Übung habe.«
»Wir können uns als Söldner ausgeben«, fügte Liam hinzu. Coram nickte. Nun starrten alle Thayet an; sie hätte gar nicht auffälliger sein können, als sie schon war.
»Ich kann die Prinzessin verkleiden«, sagte die Hexen-Tochter. »Meine Frauen werden dafür sorgen, dass eure Satteltaschen nicht mehr so gepflegt aussehen. Was ist mit den Pferden?«
Alle wechselten Blicke, doch Alanna schüttelte den Kopf. »Wir haben keine Zeit, ihr Fell zu färben. Falls es notwendig wird, kann ich einen Täuschungszauber über sie und meinen Kater legen, bis die Gefahr vorüber ist.« Liam zuckte die Achseln als Antwort auf den entschuldigenden Blick, den sie ihm zuwarf.
»Also los«, sagte Liam. »Je schneller wir weg sind, desto besser für alle.«
Thayet und die Tochter verschwanden, während die anderen ihre schäbigsten Kleider anzogen. Novizinnen sattelten die Pferde, rieben Schmutz in ihr Fell, ihre Mähnen und auf das Zaumzeug, dann streiften sie geflickte Segeltuchhüllen über die Satteltaschen. Alannas Lanze und ihr Schild wurden auf Liams Drifter befestigt, da Jugendliche aus dem Bürgertum keine derartigen Waffen trugen.
Als Alanna in den Hof trat, erkannte sie in dem graubraunen Gaul, der sie erwartete, kaum mehr Moonlight, ihre Stute. Mit ungegerbten Lederstreifen umwickelte sie das juwelenbesetzte Heft ihres Schwerts, bis nur noch der übel zugerichtete Kristall am Knauf zu sehen war. Als Nächstes traf Buri ein, die wie Alanna mit Männerhemd, Kniehosen und Jacke bekleidet war. Dem Packpferd Tizzy, das bei ihrem Anblick die Ohren zurücklegte, warf sie einen bösen Blick zu, dann ging sie zu dem Pony, das sie »Confidence« getauft hatte.
Thayet hatte sich in eine Frau mit fahler Haut verwandelt. Ihr mit grauen Fäden durchzogenes Haar war glanzlos und ein purpurfarbenes Muttermal lief über ihre Nase bis hinunter auf die linke Wange. Dazu trug sie ein formloses braunes Kleid. Alles in allem war sie so hässlich, dass keiner sie lange anschauen würde.
»Wir haben Euch Vorräte eingepackt«, sagte eine der Novizinnen und blickte Thayet mit Tränen in den Augen an. »Sie sind auf dem Packpferd und in Euren Satteltaschen. Prinzessin, möge die Göttin auf Euch herablächeln, wo Ihr auch immer hingehen werdet!«
Alanna griff nach dem Arm der Hexen-Schwester. »Falls Ihr jemals nach Westen kommt ...«
Die schwarz gekleidete Frau lächelte. »Lebt wohl, Löwin.« Rasch galoppierten sie durch die Klostertore hinaus. Jetzt, an diesem Punkt der Reise, war es wichtiger, so schnell wie möglich ein gutes Stück des Wegs hinter sich zu bringen, als sich und die Pferde zu schonen.
Ausnahmsweise beklagte sich Trusty nicht darüber, dass er so durchgeschüttelt wurde; er hakte seine Krallen in den Korb und klammerte sich fest. Der Weg vom Kloster aus führte an den Stadtmauern entlang, nicht durch die Stadt. Die Besucher, die schon am frühen Morgen in Rachia angekommen waren, waren inzwischen verschwunden, also sah keiner ihre Flucht. Und entweder lächelten die Götter auf sie herab oder die
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