Alanna - Das Lied der Loewin
fauchte sie. »Ich will Genugtuung für alles, was ich mir von dir gefallen lassen musste. Die anderen sind meine Zeugen.«
Ralon sah sich um. »Und sie werden dir nicht helfen, egal, was geschieht?«, erkundigte er sich mit verschlagener Miene.
»Nein. Das werden sie nicht. Ich schwöre bei meiner Ehre. Du solltest allerdings besser bei etwas anderem schwören, denn Ehre hast du keine.« Sie gab ihm eine schallende Ohrfeige und duckte sich.
Ralon wollte zurückschlagen, doch er traf daneben. Alanna tauchte unter seinem ausgestreckten Arm durch und rammte ihm den Kopf gegen die Brust. Er stieß einen Schrei aus und packte ihr Haar. Sie schlug ihm zweimal hart in den Magen, wobei sie den Schmerz ignorierte, als er ihr ein paar Haarbüschel ausriss. Ralon packte sie an der Kehle und würgte sie. Sie stieß ihm den Daumen ins Auge und trat ihm
gleichzeitig heftig auf einen Fuß. Ralon schrie vor Schmerz auf und wich zurück. Vorsichtig umrundeten sie sich. Jetzt wusste Ralon, dass sich seit ihrer letzten Prügelei etwas geändert hatte. Er schwitzte vor Aufregung, als er erneut angriff.
Alanna stürzte sich auf ihn und stemmte ihm die Hüfte zwischen die Beine. Er stolperte. Sie half nach und warf ihn über ihre Hüfte hinweg zu Boden. Sofort kniete sie sich auf seinen Rücken, denn sie wusste, dass sie ihn daran hindern musste, wieder aufzustehen. Mit der einen Hand bog sie ihm den Arm nach hinten, mit der anderen packte sie ihn am Haar und zerrte ihm den Kopf zurück.
»Gibst du auf?«, keuchte sie. Ralon nickte japsend. Sie stand auf. Er stürzte sich auf sie und versetzte ihr einen heftigen Schlag auf die Wange. Doch darauf war sie vorbereitet, was sie Georg zu verdanken hatte. Sie rammte ihm noch einmal derart mit der Faust in den Magen, dass ihm die Luft wegblieb. Mit der anderen Hand brach sie ihm das Nasenbein. Ralon brach zusammen und weinte wie ein kleines Kind.
Alanna trat zurück. Ihre Brust hob und senkte sich, während sie nach Luft japste. Sie wischte sich den Schweiß aus den Augen. »Rühr mich bloß nie mehr an! Sonst bringe ich dich um – ich schwöre es bei Mithros und bei der Göttin.« Ralon lag da und weinte noch immer.
Alanna wandte sich zu ihren Freunden. »Kommt! Wir gehen uns waschen.«
Ralon rief: »Alan von Trebond!«
Alanna wandte sich zurück und schaute ihn an. Ihr Feind hatte sich aufgerappelt. Er sah entsetzlich aus und in seinem Blick lag etwas Irres. »Dafür wirst du bezahlen!«, kreischte er. »Du wirst schon sehen – das wird dir noch leidtun!«
Raoul klopfte Alanna auf die Schulter. »Komm«, sagte er. »Hier drinnen ist ’ne ganz üble Luft.«
Als Myles kam, saß sie allein in ihrem Zimmer im Dunkeln. »Du warst heute nicht beim Abendbrot«, meinte der Ritter.
Alanna blinzelte ihn überrascht an, als er eine Kerze entzündete.
»Ralon von Malven hat den Palast verlassen«, fuhr Myles fort und setzte sich auf ihren einzigen Stuhl. »Coram, dein Diener, brüstet sich vor den anderen Palastwachen damit, er habe schon immer gewusst, dass du das Zeug dazu hast. Die anderen Jungs wollen feiern – sie halten dich für einen Helden. War es nicht das, was du wolltest?«
Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. »Wollte ich das? Keine Ahnung.« Sie rieb sich das Gesicht trocken und sah Myles an. »Danach musste ich mich übergeben«, gestand sie. »Ich hasse mich. Ich habe nur mehr gewusst als Ralon. Und er gerät immer in Wut, wenn er kämpft – das habe ich ausgenutzt. Ich bin genauso schlimm wie er.«
»Ich bezweifle, dass Ralon sich jemals übergeben musste, nachdem er einen Kleineren und Jüngeren verprügelt hat.«
Alanna runzelte die Stirn. »Glaubt Ihr?«
»Ich bin mir sicher.« Myles nickte. »Alan, die Zeit wird kommen, wo du als Ritter gegen jemanden kämpfen musst, der nicht so gut ausgebildet ist wie du. Daran lässt sich nichts ändern, und das macht noch keinen Tyrannen aus dir. Das bedeutet nur, dass du lernst deine Fähigkeiten richtig einzusetzen.«
Alanna dachte darüber nach, was Myles da sagte. Schließlich seufzte sie und schüttelte den Kopf. Im Augenblick war sie dieser Sache nicht gewachsen.
Myles wuschelte ihr durchs Haar. »Jetzt hast du also dem ganzen Palast bewiesen, dass du ein echter Kämpfer bist. Sicher willst du das feiern.«
Alanna schnitt eine Grimasse. Was Myles auch immer sagen mochte – sie hatte getrickst, um Ralon zu schlagen. Sie war trotz allem immer noch ein Mädchen, das sich für einen Jungen ausgab,
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