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Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamora Pierce
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Jonathan war schon dort und hielt beim Leichnam seines Freundes Wache. Alanna wollte den Prinzen nicht stören und kniete sich im hinteren Teil der Kapelle nieder. Sie zitterte, als sie Francis ansah, wie er da auf dem Altar lag. Vielleicht wäre er noch am Leben, wenn sie etwas unternommen hätte.
    Alanna schämte sich.
    Sir Myles kniete sich neben sie. Sein Haar und sein Bart waren noch ganz vom Schlaf zerzaust. »Tut mir leid, Alan«, murmelte er. »Ich weiß, dass du mit Francis befreundet warst.«
    Alanna sah den Ritter an. Er war ihr Freund und er war ein Erwachsener – er würde eine derartige Gewissensfrage verstehen. Und sie vertraute seiner Meinung.
    »Kann ich einen Augenblick mit Euch sprechen?«, flüsterte sie. »Draußen?«

    Leise gingen sie hinaus. Myles ließ sich gleich vor der Kapelle auf eine Bank nieder. »Was bedrückt dich?«, fragte er und bedeutete ihr Platz zu nehmen.
    Alanna blieb stehen. »Sir Myles – wenn jemand über Kräfte verfügt, die man sowohl zum Guten als auch zum Bösen einsetzen kann, sollte er sie dann benutzen?«
    Er sah sie durchdringend an. »Zauberkräfte?«
    Alanna scharrte mit dem Fuß. »Nun – ja, ich habe die Gabe.«
    Myles runzelte die Stirn. »Das kommt darauf an, Alan. Die Gabe ist lediglich eine Fähigkeit. Wir verfügen nicht alle über sie, genauso wie wir nicht alle einen wachen Verstand oder gute Reflexe haben. Die Magie ist an sich weder gut noch böse. Ich denke, du solltest sie nur benutzen, wenn du absolut sicher bist, dass deine Sache es rechtfertigt. Hilft dir das weiter?«
    Alanna zupfte sich nachdenklich am Ohr. »Ihr könntet mir wohl nicht mit Ja oder Nein antworten?«
    Myles schüttelte den Kopf. »In diesem Fall nicht. Gewissensfragen lassen sich in den seltensten Fällen mit Ja oder Nein beantworten.«
    Die Tür ging auf und Jonathan trat ein. »Alan?«, sagte er leise. Er war ganz bleich, und seine Augen schimmerten feucht.
    »Danke, Sir Myles«, sagte Alanna und ging zu ihrem Freund.
    Francis wurde am nächsten Tag beerdigt. Raoul und Gary, denen es endlich besser ging, kamen ebenfalls. Der Heiler, der Alex betreute, erklärte Alanna, dass auch er auf dem Weg der Besserung sei. Jonathan wohnte zusammen mit seinem Vater der Beerdigung bei. Sie verschwanden gleich
danach wieder und Alanna widmete sich rasch wieder ihren Aufgaben.
    Sie schlug sich mit dem Gedanken herum, ob sie nun die Heiler aufsuchen und ihnen ihre Dienste anbieten sollte. Für Francis konnte sie nichts mehr tun, aber da gab es noch all die anderen.
    Das Fieber nahm ihr die Entscheidung ab. Coram und Timon kamen am nächsten Morgen zu ihr in die Küche, wo sie Geschirr abwusch.
    »Alan!«, rief Timon.
    Sie schaute von der Wanne voller Töpfe auf und runzelte die Stirn.
    Corams Stimme war sanft. »Der Prinz ist gestern Abend krank geworden. Er ruft nach dir.«
    Alanna legte das Spültuch beiseite. Vor Angst schnürte es ihr die Kehle zu. »Wie geht es ihm?«
    »Schlecht«, sagte Timon.
    Gefolgt von den beiden Dienern rannte Alanna zu Jonathans Suite. Sie öffnete die Tür und erstarrte. Was sie da sah, war einfach unglaublich. Jonathans Bett war von Menschen umrundet. Der Weihrauch, der in der Luft hing, brachte sie zum Niesen. Die Priester des Dunkelgottes sangen Sterbegesänge, während der Oberste Heiler im Hintergrund stand. Herzog Baird sah sich am Ende seiner Kraft. Jonathan halluzinierte schon, und der Heiler hatte gelernt, dass die Menschen, denen es gleich von Anfang an so schlecht ging, immer starben.
    Alanna schnappte vor Wut nach Luft. Wie konnte jemand in einem solchen Trubel gesund werden? Wie sollte Jonathan hier atmen können? Das widersprach allen Regeln des gesunden Menschenverstandes, die ihr Maude beigebracht
hatte. Zum Heilen waren frische Luft, Ruhe, absolute Sauberkeit, Gelassenheit und besänftigende Stimmen nötig. Hatten diese Stadtleute denn von gar nichts eine Ahnung? Alanna machte den Mund auf – und dann schloss sie ihn wieder. Fast hätte sie den Erwachsenen befohlen zu verschwinden! Sie konnte sich vorstellen, wie ein derartiger Befehl aufgenommen werden würde, wenn er von einem Pagen kam.
    Sie drehte sich zu Coram um. »Hol Sir Myles! Sofort!«
    Er blickte auf sie hinunter. Dieses vorgereckte Kinn kannte er nur zu gut. »Du hast doch wohl nicht wieder irgendeinen Unsinn im Kopf, wie?«
    »Keinen größeren Unsinn als das hier.« Sie deutete mit dem Kopf auf das überfüllte Zimmer.
    Coram seufzte und wandte sich an Timon, der ihn

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