Alanna - Das Lied der Loewin
Liam vorbei. »Heiliger Schurkengott!«, flüsterte er.
Gerade traten Thayet und Buri gähnend aus der Schenke. Alanna war klar, was Georg so faszinierte: Die Nachmittagssonne lag auf Thayets nachtschwarzem Haar und verfärbte ihre Haut zu einem dunklen Cremeweiß. Thayet sieht immer gut aus, egal, wo, dachte sie und empfand nur ein winziges bisschen Neid dabei. Sie müsste heiraten, damit sie uns anderen nicht mehr in die Quere kommt. »Prinzessin Thayet jian Wilima, darf ich Georg Cooper vorstellen? Georg, das ist Prinzessin Thayet von Sarain mit ihrer Wächterin Burinam Tourakom.«
»Spar dir die Mühe«, brummte Buri, während Georg Alanna losließ, sich verbeugte und Thayets Hände küsste. »Meinen Namen kann er sich sowieso nicht merken.«
Georg richtete sich auf und zwinkerte der K’mir zu. »Ich bin zwar ergriffen, Burinam Tourakom, aber so ergriffen auch wieder nicht.«
Buri war gegen ihren Willen von Georg angetan und musste lächeln. »Alanna hat uns von dir erzählt«, erwiderte sie schroff. »Wir sind also gewarnt. Im Übrigen nennt man mich Buri.«
»Ich sagte dir ja, dass ich sie zurückbringen würde«, erklang da Raouls Stimme.
Georg sah Alanna an und drückte sie. »Ich werd nie mehr an dir zweifeln, Mann.«
»Klar doch, dass du der Erste sein musstest, der hier auftaucht«, rief Coram, der mit Raoul zusammen von hinten die Pferde brachte.
Georg lachte. »Wenn ich du wär, würd ich den Schurkenkönig und den Vetter meiner zukünftigen Frau besser behandeln.
« Die beiden Männer klopften sich zur Begrüßung auf die Schultern.
Georg tauschte sein müdes Pferd gegen ein frisches aus und ritt mit ihnen nach Corus. Dadurch verging die Reise wie im Flug: Er weigerte sich über die Neuigkeiten im Land zu sprechen, entlockte Buri und Thayet jedoch mühelos Geschichten von ihren Abenteuern. Alanna allerdings ließ sich nicht zum Narren halten. Die letzten Monate hatten Georg viel Kraft gekostet. Er war mager geworden, kleine Fältchen umrahmten seine Augen und den breiten Mund. Sie brannte darauf zu erfahren, was sich abgespielt hatte. Wo war sein Schurkenhof – der Gelehrte, Solom, Marek, Rispah und die anderen? Aber wenn sie ihn jetzt danach fragte, würde er lachen und stattdessen die Fragen stellen, die sie nicht beantworten wollte, das wusste sie.
»War er schon immer so stur?«, fragte sie Trusty.
Das musst ausgerechnet du fragen, antwortete der Kater naserümpfend.
Alanna grinste. »Wodurch ich wiederum bestens geeignet bin zu erkennen, ob jemand anders stur ist.«
Auf dem Kamm der Hügel zwischen Caynnhafen und der Hauptstadt ließ Buri ihr Pony anhalten. »Götter der Berge«, flüsterte sie mit vor Ehrfurcht geweiteten Augen. Die anderen machten neben ihr halt.
Vor ihnen lag mit funkelnden Türmen Corus am Ufer des Oloron. Die Häuser der Reichen zogen sich nach Osten hin am Fluss entlang; die der Gerber, Schmiede, Wagner, Zimmerleute und der Armen drängten sich in Richtung Westen am Ufer. Die Stadt war wie ein farbenfroher Wandteppich: das Große Tor der Königsbrücke, das Straßengewirr der Unterstadt, der Marktplatz, die hohen Häuser im Viertel
der Händler und der Leute mit Rang und Namen, die Gärten im Tempelbezirk, der Palast, der die Stadt an ihrem südlichsten Punkt überragte. Dahinter erstreckte sich meilenweit der Königswald. Corus war nicht so lieblich wie Berat, nicht so farbenprächtig wie Udayapur, aber es war Alannas Heimat. Sie griff in den Beutel an ihrem Gürtel und berührte das Juwel. Damit kann ich zumindest einen Teil dessen bezahlen, was mir Tortall Gutes getan hat, dachte sie mit Genugtuung.
»Freust du dich, dass du wieder zu Hause bist?«, fragte Georg.
»Ja.«
Er streckte die Hand aus, um ihre Wange zu berühren. »Es war eine lange Reise, was?«, flüsterte er.
Alanna schaute ihn an. In seinen haselnussbraunen Augen sah sie so viel Liebe, dass sie gleichzeitig Freude und Angst überkam.
Innerhalb der Stadttore wartete eine kleine Gruppe Bazhir mit Hakim Fahrar an der Spitze. Sie verbeugten sich im Sattel vor Alanna, die ihren Gruß auf dieselbe Weise erwiderte. Hakim ritt neben Coram her, die anderen bildeten einen lockeren Kreis um die Reisegruppe.
»Ist das nötig?«, fragte Alanna und tauschte einen unglücklichen Blick mit Thayet. »Wir wollten so wenig Aufsehen erregen wie möglich.«
»Ja, es ist nötig«, sagte Georg. »Unauffällig bleiben wär euch sowieso nicht gelungen – nicht mit diesem riesigen muskulösen Kerl in
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