Alanna - Das Lied der Loewin
eurer Mitte.« Er nickte zu Liam hinüber, der sich mit einem Bazhir-Reiter unterhielt. »Die Dinge haben sich geändert und ganz Corus weiß, dass du Jonathans
Ritterin bist. Es könnte dir also Schlimmeres passieren als unter Bewachung zu reiten.«
Das Tor von Haus Olau stand offen. Die Pferdeknechte begrüßten Alanna freudig, ohne Überraschung darüber zu zeigen, dass sie so viele Begleiter mitbrachte. Es war Thayet, die besorgt dreinsah und zögerte. »Buri und ich müssten uns irgendwo ein Gasthaus suchen«, sagte sie. »Wenn du uns zeigen kannst ...«
»Ich kenne eins«, sagte Liam. »Dort können wir alle drei wohnen ...«
»Seid nicht albern«, unterbrach Alanna. »Wieso sollten wir uns trennen?«
»Er erwartet euch«, erklärte Georg.
»Oh?«, machte Thayet. »Woher weiß er von Buri, Liam und mir?«
»Von der Stimme?«, erkundigte sich Alanna bei Coram.
Coram musste lachen. »Du musst zugeben, Löwin, dass die Stimme ein ganz nützlicher Mann ist.« Er drehte sich zu den anderen um und erklärte: »Ich habe Kontakt mit der Stimme der Stämme aufgenommen, seit wir Marener Gewässer erreichten. Wir werden erwartet, und zwar alle.«
»Wenn ihr anderswo Unterkunft sucht, kränkt ihr Myles«, sagte Georg. »Er ist sehr gastfreundlich – meine Mutter und meine Cousine wohnen auch bei ihm. Er dürfte eigentlich kein Junggeselle sein, nicht mit so einem schönen, großen Haus wie dem.«
»Wenn du sicher bist ...«, sagte Thayet mit einem zaghaften Lächeln.
Georg verbeugte sich. »So eine schöne Dame würde ich doch nicht anlügen.«
Alanna stieg vom Pferd und reichte einem Pferdeknecht
die Zügel. Trusty machte einen Satz aus seinem Korb. Gerade als Eleni Cooper und Rispah auf den Hof kamen, verzog er sich in den Schatten. Alanna rannte auf die beiden zu, umarmte sie und gab sich Mühe nicht wieder loszuheulen. Wie hatte sie nur vergessen können, wie es war, zu Hause zu sein? Sie stellte Thayet, Buri und Liam vor. Wieso Georgs Mutter und seine Cousine bei Myles wohnten, begriff sie zwar nicht, aber sie freute sich die beiden zu sehen.
Als sie einen Blick nach links warf, sah sie, wie dort Coram in einer dunklen Ecke Rispah umarmte. Lächelnd schaute sie wieder weg.
Georg stupste Alanna an und deutete zur sperrangelweit offenen Vordertür. »Geh und begrüß ihn. Er ist schon seit dem Morgengrauen auf.«
Alanna rannte zu Myles und drückte ihn an sich. Worte waren nicht nötig zwischen den beiden; das war auch gut so, weil sie sowieso nicht hätten reden können. Myles weinte, ohne sich dessen zu schämen, strahlte sie aber gleichzeitig überglücklich an. Auch er sah gealtert und mitgenommen aus, und graue Strähnen durchzogen sein Haar. Er ist nicht davon überzeugt, dass Roger ungefährlich ist, fiel Alanna ein. Was hat sich hier abgespielt, seit ich fort bin?
»Kommt herein, kommt herein«, sagte Myles zu den anderen. »Seid willkommen, alle miteinander!«
Nach dem Abendessen versammelten sie sich in der Bibliothek. Die anderen unterhielten sich; Alanna hörte meistens nur zu und war glücklich, daheim zu sein. Unangenehme Themen und das Juwel sparten sie sich für den nächsten Tag auf. Thayet, Buri und Liam kamen gar nicht dazu, sich ausgeschlossen zu fühlen: Sobald sie Myles vorgestellt worden waren, vermittelte er ihnen das Gefühl, sie seien gern
gesehene Gäste. Thayets Vorschlag sich eine andere Unterkunft zu suchen wies er zurück, wie Alanna es vorausgesehen hatte. Coram wich nicht mehr von Rispahs Seite und es versetzte Alanna einen kleinen Stich, als ihr klar wurde, dass die Tage, wo er ihr kluger und treuer Ratgeber und Begleiter gewesen war, nun hinter ihr lagen. Zu ihrer Überraschung und Freude sah sie, wie Myles Elenis Hand hielt. Georg folgte ihrem Blick und zwinkerte. Später, als sie ihn beschuldigte, er habe die beiden verkuppelt, machte er keinen Versuch, es abzustreiten.
Schließlich schlief Alanna in ihrem Sessel ein. Sie erwachte nur halb, als Liam sie ins Bett trug. Er küsste sie auf die Stirn und flüsterte: »Schlaf gut, Löwin.«
»Ich mag es nicht, wenn du mich Löwin nennst.« Er schien nicht zu hören, was sie sagte. Sanft schloss er die Tür, und sie schlief wieder ein.
Eine Weile später fuhr sie aus dem Schlaf hoch. Was hatte sie geweckt? Sie horchte, aber im Haus war es still. Als sie sich umsah, entdeckte sie einen bräunlichen Lichtfleck beim Fenster. Mit einem einzigen Satz war sie bei ihrem Schwert, das in der Nähe hing, und zog es aus der
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