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Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamora Pierce
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sind wir längst wieder da«, versprach der Ritter. »So, wir machen uns auf den Weg.«
    Alanna wartete, bis sie das Schloss hinter sich gelassen hatten, bevor sie ihn fragte: »Warum mögen Eure Bediensteten die Ruinen nicht?«
    »Meine Leute behaupten, dort gäbe es Gespenster«, sagte er. »Aber das bezweifle ich. Ich habe sie jahrelang durchforscht, ohne ein einziges Gespenst zu entdecken.«
    »Warum habt Ihr sie so gründlich durchforscht?«
    »Ich schreibe ein Schriftstück darüber«, entgegnete er. »Ich will zeigen, wie das Haus angelegt war, wer dort lebte, wie sie lebten. Ich bin fast fertig.« Er strich sich über den Bart. »Ich bezweifle, dass es viele lesen werden, aber die Arbeit befriedigt mich.«
    Alanna schüttelte den Kopf. Sie war keine Gelehrte. »Warum habt Ihr mich hierher gebracht?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
    »Weil ich dazu gezwungen wurde«, antwortete Myles.
    Sie blieb abrupt stehen. »Was wurdet Ihr?«
    »Ich wurde gezwungen«, sagte er geduldig. »Sieben Nächte lang hintereinander hatte ich denselben Traum. Du und ich durchforschten zusammen die Ruinen, und wir waren genauso
angezogen wie jetzt. Als ich Gareth darum bat, dass du mich begleiten dürftest, blieb der Traum aus.«
    »Oh!«
    »Dein ›Oh‹ ist berechtigt.« Sie setzten sich wieder in Bewegung. »Ich bin ein ganz gewöhnlicher Mann. Ich mag meine Bücher und meinen Brandy und meine Freunde. Ich mag es, wenn alles seinen gewohnten Gang nimmt, und ich mag es, wenn ich heute weiß, wo ich morgen sein werde. Wenn die Götter mein Leben berühren – an irgendeinem Punkt berühren sie jedermanns Leben –, dann werde ich nervös. Man kann nie wissen, was sie von einem wollen.«
    Der Wald öffnete sich, und Alanna hielt an. Vor ihnen lagen die Ruinen. An manchen Stellen waren die Mauerüberreste höher als sie selbst. Sie waren aus Marmor gebaut, und der Stein schimmerte, als sei er erst am Tag zuvor behauen worden. Ein Tor aus schwerem schwarzem Holz baumelte schief an bronzenen Scharnieren.
    »Sollen wir hineingehen?«, fragte Myles. Er ging durchs Tor. Alanna blieb gleich im Torbogen stehen, kratzte sich die juckende Nase und schaute sich um. Vor ihnen erstreckten sich in wohl geordneten Reihen die Reste der steinernen Mauern und zeigten den Verlauf der ehemaligen Gebäude und der darin liegenden Zimmer.
    Myles deutete auf eine große, von Mauern umgebene Fläche. »Ich glaube, das war das Haupthaus. Siehst du die Tür?« Der Ritter klopfte auf eine schwarze Holzplatte, die an der Mauer lehnte. »Sie ist sechshundert Jahre alt. Mindestens.« Er lief weiter. »Ich glaube, das hier war die Küche«, fuhr er fort, während Alanna ihm folgte. »Als ich jünger war, fand ich hier Kochuntensilien. Ich zeige sie dir, wenn wir zurück sind.«

    »Woraus sind sie gemacht?«, fragte sie.
    Myles rieb sich die Nase. »Es sieht wie Bronze oder Kupfer aus, aber wenn man es poliert, funkelt es stärker als neues Metall. Ich glaube, es ist der Überzug, mit dem sie es versahen. Den benutzten sie für alles – für Metall, Holz, Papier. Für alles, dem man unter Umständen das Alter ansehen konnte. Vor dem Altem hatten sie schreckliche Angst.«
    Alanna starrte ihn an. »Wie bitte?«
    »Nein, das habe ich mir nicht aus den Fingern gesogen, mein Junge.« Myles lächelte. »Ich kann ihre Schrift lesen. Aus dem, was ich gelesen habe, zu schließen, fürchteten sie das Altwerden mehr als alles andere.«
    Alanna begann ihre Erkundungen, indem sie mit wachsamen Augen den Fußboden musterte. Ein Glitzern am Rand eines Marmorblocks fiel ihr auf. Es war eine Speerspitze. Sie rieb daran, bis sie glänzte. Als sie sich umsah, entdeckte sie in den umliegenden Steinen eingehauene Halterungen, in die ohne weiteres Speere, Schwerter und Äxte gepasst hätten.
    »Myles!«, rief sie. »Ich glaube, ich habe die Waffenkammer gefunden!«
    Myles trat zu ihr. »Ich glaube, du hast recht. Und du hast noch einen weiteren Fund gemacht.« Er untersuchte die Speerspitze. »Ich bin an Kochgeschirr interessiert, nicht an Waffen. Du wirst vermutlich noch mehr davon finden. Du bist ein kluger Kerl, Alan.«
    In der Ecke der Waffenkammer entdeckte Alanna eine große Steinplatte, die auf der Erde lag. Im Gegensatz zu den Blöcken, aus denen die Mauer bestand, war diese Platte pechschwarz. An einer Stelle war ein Metallgriff eingelassen. Alanna rieb ihn mit ihrem Hemdsärmel ab.

    »Wieso sagt Ihr das?«, fragte sie, während sie mit zusammengekniffenen Augen

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