Alanna - Das Lied der Loewin
besser als die meisten Jungen«, entgegnete Georg mit fester Stimme. »Halt einfach den Mund. Denk darüber nach, ob sie dich hassen oder nicht, wenn es so weit ist. Und mach dir keine Sorgen. Bei uns ist dein Geheimnis gut aufgehoben.« Er legte den Arm um ihre Schulter und drückte sie an sich.
Alanna lehnte den Kopf gegen seine Brust, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, sie war so dankbar. Sie blinzelte sie weg und flüsterte: »Ich dank dir, Georg.«
»Wenn wir allein sind, werd ich dich Alanna nennen«, sagte er. »Ich finde, du solltest dran erinnert werden, wer du bist.«
Alanna musste an ihren Monatszyklus denken und lächelte bitter. »Ich werde wohl kaum ’ne Chance haben, das zu vergessen.«
Frau Cooper lachte in sich hinein, denn sie erriet, was Alanna zu dieser Bemerkung bewegt hatte.
Alanna zuckte die Achseln. »Vermutlich bestehst du darauf ...«
»Ja, das tue ich«, antwortete er ruhig.
»Aber pass auf, dass es dir nicht vor den anderen herausrutscht. Ich bin inzwischen schon zu weit gegangen.«
»Derartige Details vergisst er nicht«, bemerkte Frau Cooper trocken. »Das muss er von seinem Vater haben, denn von mir hat er es nicht.« Sie ging in den Raum, in dem sie sich zu Anfang mit Alanna unterhalten hatte.
Georg strich Alanna übers Haar. »Es wird mir Spaß machen, wenn du erwachsen wirst, Kleine. Wenn du Hilfe brauchst, kannst du auf mich zählen.«
Alanna ergriff seine Hand und sah ihm in die Augen. »Das habe ich niemals auch nur eine Sekunde lang bezweifelt.«
»Du bist außer mir vermutlich die Einzige in der Stadt, die das behaupten kann«, kommentierte Georgs Mutter, die eben zurückkehrte. »Er ist ein guter Junge, auch wenn er ein Gauner ist. Da. Zieh dir das über.«
Alanna betrachtete verdutzt das an einer dünnen Kordel baumelnde goldene Symbol. Ein derartiges Zeichen hatte sie
noch nie gesehen, und sie konnte spüren, wie es Kraft verströmte. Rasch zog sie die Kordel über den Kopf und steckte sie unter ihr Hemd. Nun spürte sie diese seltsame Zauberkraft nicht mehr.
»Von nun an sollen mich Georgs Leute zu dir bringen«, meinte Frau Cooper. »Aber ich bezweifle, dass du mich oft brauchen wirst. Gib mir deine Hand.«
Alanna gehorchte.
Die Frau berührte ihre Finger und zog dann die Hand fort, als habe sie sich verbrannt.
»Was ist los?«, wollte Alanna wissen.
»Armes Ding.« Frau Cooper sah sie voller Mitleid an. »Die Göttin hat ihre Hand auf dir. Man hat dir einen schwierigen Lebensweg auferlegt.« Sie versuchte zu lächeln. »Ich wünsche dir Glück, Alanna von Trebond. Du kannst es gebrauchen.«
Alanna schlüpfte eben in ihr Zimmer, als Coram sie fand.
»Zweimal darfst du raten, wer dich sehen möchte.«
Alanna schnitt eine Grimasse. »Es war nicht zu ändern. Ich hatte ein dringendes Problem.«
»Jetzt hast du noch ein dringenderes Problem«, war die Antwort. »Der Herzog ist bestimmt ziemlich wütend auf dich.«
Dafür, dass sie unerlaubt in der Stadt gewesen war, erhielt sie von Herzog Gareth für die nächsten zwei Monate Ausgehverbot. Außerdem musste sie sich in ihrer freien Zeit nach dem Abendessen bei ihm melden und Botengänge für ihn erledigen. Alanna nahm diese Bestrafung klaglos auf sich. Sie hatte keine andere Wahl. Ganz sicher konnte sie Gareth, der verärgert war, nicht sagen, warum sie in die Stadt geritten war.
Ihr dreizehnter Geburtstag verstrich, und es war August geworden, bevor sie den Palast wieder verlassen durfte. Auch als die Bestrafung aufgehoben war, verhielt sie sich weiterhin tadellos. Herzog von Naxen war mit ihrer vagen Ausrede bezüglich des morgendlichen Ritts in die Stadt nicht zufrieden gewesen und behielt sie im Auge.
Also sah sie sich vor.
Herzog Gareth war nicht der Einzige, der sie im Auge behielt. Auch Sir Myles schaute sie immer noch dann und wann nachdenklich an. Ihre Freundschaft mit dem Ritter hatte sich nach und nach vertieft, und nun verbrachte sie manchen Abend mit ihrem älteren Freund und spielte Schach, anstatt mit dem Prinzen und seinen Freunden herumzuhängen. Zum einen erzählte Myles faszinierende Geschichten, zum anderen konnte Myles auch erklären, warum sich die Leute so verhielten, wie sie es taten. Zwar war das Kämpfen für Alanna zu ihrer zweiten Natur geworden, doch die Menschen verstand sie einfach nicht. Myles verstand sie, und an ihn wandte sie sich, wenn sie Rat brauchte.
Eines Abends im Herbst, als sie wieder einmal Schach spielten, fragte Myles: »Hast du jemals
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