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Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamora Pierce
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hoffnungslos. Sie war im Begriff zu sterben und sie wusste es.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben hörte Alanna auf, sich zur Wehr zu setzen. Sie hatte ihre ganze Atemluft, ihre ganze Kraft, ihre ganze Magie verbraucht. Sie war wehrlos. Das Dunkel drang in ihr Gehirn ein, und sie starb. Mit einem stillen Seufzer, der fast ein Seufzer der Erleichterung war, fügte sie sich. Als ihre Knie nachgaben, nahm Alanna das Wissen um ihren Tod und machte es zu einem Teil ihres Selbst.
    Der Kristall des Schwertes flammte auf, und sein Licht
durchdrang das Dunkel in ihrem Kopf. Plötzlich lockerte sich der grässliche Griff, der ihren Körper und ihren Geist umschlungen hielt. Sie sog die Lunge voller Luft und war vollkommen überrascht, dass sie es noch konnte. Sie öffnete die Augen und schloss sie wieder, da der flammende Kristall sie blendete.
    Irgendwo von draußen her rief Myles nach ihr, doch seine Stimme wurde von dem heranrollenden Donner fast verschluckt. Alanna benutzte das Licht des Kristalls, um zur Treppe zurückzufinden, und sie spürte, wie das Dunkel vor ihr zurückwich. Immer noch wacklig krabbelte sie nach oben. Als sie ans Tageslicht trat, erlosch das Licht des Kristalls.
    Am Himmel ballten sich schwarze Wolken; ein paar Meilen weiter schlug schon der Blitz ein. Myles packte ihren Arm und zog sie von der Treppe fort, gerade als sich die Platte ächzend wieder darüberschob. Alanna starrte sie an und fragte sich, was da eigentlich vor sich ging. Sie hatte den Tod angenommen. Warum lebte sie dann noch?
    »Es ist jetzt keine Zeit zum Nachdenken!«, schrie ihr Myles ins Ohr. »Komm mit!«
    Sie kehrten im Laufschritt zum Schloss zurück, wobei Myles Alanna, die völlig verstört war, fast schleppen musste. Der Sturm peitschte ihnen Äste und Zweige ins Gesicht und im Nu waren sie von dem plötzlich einsetzenden Sturzregen bis auf die Haut durchnässt.
    Im Schloss ließen ihnen die Dienstboten heiße Bäder ein und legten ihnen trockene Kleider bereit. Alanna badete und zog sich um; sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie noch lebte. Dann nahm sie das Schwert und ging ihren Freund suchen.

    Myles erwartete sie in seinem Morgenzimmer. In einer Festung wie Trebond hätte man nie einen derartigen Raum gefunden: Die riesigen, auf das Tal hinausblickenden Fenster hätten gegen feindliche Bogenschützen keinerlei Schutz geboten. Hier im friedlichen Olau konnte Myles seine weiten Felder, das ferne Dorf und an einem klaren Tag sogar die Große Straße sehen. Jetzt saß er in einem tiefen Sessel und schaute zu, wie die Regentropfen an den Fenstern hinunterliefen. Ein dampfender Krug und zwei Becher standen neben ihm.
    »Trink einen Grog«, sagte er und reichte ihr einen vollen Becher. »Du siehst aus, als könntest du es gebrauchen.« Alanna starrte auf die dampfende Flüssigkeit und versuchte sich zu erinnern, was sie damit tun sollte. »Trink aus, mein Junge!«, drängte Myles liebevoll. Er trank seinen eigenen Becher leer, schenkte ihn wieder voll und beobachtete sie.
    Alanna setzte sich vorsichtig in einen Sessel und starrte zum Fenster hinaus. Schließlich hob sie den Becher an die Lippen und nippte. Die heiße Flüssigkeit brannte in ihrer Kehle und wärmte ihren Körper. Vielleicht lebte sie ja tatsächlich noch? Sie nahm noch einen Schluck und dann noch einen.
    »Ich dachte, ich sei tot«, sagte sie endlich. »Aber scheinbar bin ich es doch nicht.« Sie reichte ihm das Schwert. »Da. Das habe ich im Gang gefunden.«
    Myles untersuchte das Schwert sorgfältig, ohne es zu ziehen. Er fuhr mit den Fingern über die Scheide, rieb mit dem Daumen über die Metallbeschläge und schaute mit zusammengekniffenen Augen durch das Kristall hindurch eine Kerzenflamme an.
    »Was genau ist passiert?«, fragte er, während er sich das Schwert ansah.

    Sie erzählte es ihm in kurzen Worten, ohne sein Gesicht aus den Augen zu lassen.
    »Liegt Zauberkraft in dem Kristall?«, fragte er schließlich.
    »Ich weiß nicht. Mit meiner Zauberkraft bringe ich seine jedenfalls nicht zum Funktionieren. Sie kam erst, als ich aufhörte um mein Leben zu kämpfen.«
    »Ich verstehe«, murmelte er. »Du hast den Tod angenommen – und der Stein hat dir das Leben gerettet.«
    Das kam Alanna unsinnig vor, also ging sie darüber hinweg. »Wollt Ihr das Schwert nicht ziehen?«
    Myles sah nachdenklich aus dem Fenster. »Das Gewitter lässt nach«, bemerkte er.
    Alanna rutschte unruhig im Sessel hin und her. »Nun?«
    »Nein, ich ziehe es nicht. Du wirst

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