Alanna - Das Lied der Loewin
Gnaden.« Alanna verbeugte sich tief und entfernte sich eilig aus der herzoglichen Suite. Sie rannte zu ihren Zimmern zurück, wo sie Coram vorfand, der aufgeblieben war, um auf sie zu warten. Sie erzählte ihm die Neuigkeiten, wobei sie vor Aufregung kaum stillstehen konnte. »Und der Herzog trägt einen rotgolden gemusterten Hausmantel. Kannst du dir das vorstellen?«, fragte sie, während sie hinter ihrem Wandschirm verschwand.
Coram lachte in sich hinein. »Derartige Dinge erinnern mich wieder dran, wer du bist. Manchmal vergess sogar ich, dass du kein Junge bist.«
Alanna hüpfte in ihrem Nachthemd ins Bett, während Coram die Kerzen löschte.
»Coram?«, sagte sie, als auch er sich unter seine Decken gelegt hatte.
»Was ist?«
»Meinst du, irgenwer hat eine Ahnung, dass ich kein Junge bin?«
Der Mann gähnte. »Unwahrscheinlich. Du hast dir zu viel Mühe mit deiner Verkleidung gegeben. Schlaf jetzt. Oder lass wenigstens mich schlafen. Die Frühwache morgen ist bestimmt mein Tod.«
Alanna war angezogen und hatte gepackt, als Coram sie am nächsten Morgen holen kam. Er reichte ihr ein Brötchen und ein Glas Milch. »Iss und trink!«, befahl er streng. »Hast du geschlafen heute Nacht?«
Sie lächelte verschmitzt. »Ich glaube nicht.«
»Tja, nimm dich zusammen und stürz die Milch nicht so runter. Er wird sich nicht ohne dich auf den Weg machen.«
Coram hatte recht. Myles erwartete sie in Reitkleidung auf dem Schlosshof. Schon allein die Vorstellung von Myles auf einem Pferd brachte Alanna dazu, die Augen weit aufzureißen. Irgendwie hatte sie sich den älteren Mann nie auf einem Pferd reitend vorgestellt. Dann schimpfte sie sich insgeheim. Myles hatte genau dieselben Prüfungen durchgestanden wie sie. Sonst wäre er ja nie zum Ritter ernannt worden.
Der Tagesritt zur Baronie Olau machte ihr Spaß. Myles hatte unzählige Geschichten zu erzählen, und es war schön, die Palastdisziplin mal vergessen zu können. Die Sonne begann im Westen zu sinken, als sie von der Großen Straße abbogen. Im Gegensatz zu Trebond war die Baronie Olau keine Festung, die dafür gebaut worden war, Banditen aus den Bergen und Plünderer aus Scanra abzuwehren. Myles’ Heim befand sich in einem lang gestreckten Tal und war von riesigen Stoppelfeldern umgeben. Zu den Hügeln hin sah Alanna Baumreihen.
»Meine Leute sind Bauern«, erklärte Myles, als er sah, in welche Richtung sie schaute. »Die Äpfel von Olau sind die besten in ganz Tortall – auch wenn ich es selbst bin, der das sagt.«
»Es ist ganz anders hier als in Trebond«, meinte Alanna. Sie streichelte Moonlights Nacken – ob sie damit Moonlight trösten wollte oder sich selbst, wusste sie nicht so recht.
Die Räume, die Myles ihr zuwies, waren klein und gemütlich. Der Fußboden war mit bunten Teppichen bedeckt, im Kamin brannte ein Feuer, und die Fenster waren dicht und ließen keinen kalten Luftzug herein. Alanna musste noch einmal an ihr eigenes Zuhause denken und seufzte. Die Bediensteten waren höflich und drückten sich gewählt aus. Als sie dem Mann, den ihr Myles als ihren Diener schickte, erklärte, sie sei gern für sich allein und ungestört, verbeugte er sich und entgegnete: »Wie der junge Herr wünschen.« Sie wusste nicht, dass der Mann auf der Stelle zu Myles ging und ihm von ihrem Wunsch berichtete, noch wusste sie, dass Myles in dieser Nacht noch lange dasaß und nachdachte.
Beim Frühstück am nächsten Tag erkundigte sich Myles: »Fühlst du dich dem Marsch in die Ruinen gewachsen? Wir werden zu Fuß gehen müssen – für Pferde ist die Strecke zu holperig.«
Sie war begeistert. Nachdem sie ihr Frühstück hinuntergeschlungen hatte, ging sie sich rasch umkleiden. Sie zog dicke Strümpfe, robuste Kniehosen, ein warmes Hemd und einen festen Mantel an, bevor sie in ihre bequemsten Stiefel schlüpfte. Im letzten Augenblick steckte sie ein Paar Handschuhe in ihre Manteltasche. Alanna mochte keine Kälte, und die Tage wurden langsam frisch.
Als sie sich zu Myles gesellte, stellte sie fest, dass er ebenso bekleidet war wie sie. »Nein, Ranulf«, erklärte er gerade seinem Haushofmeister, »keine Bediensteten.« Er musste grinsen. »Ich glaube, es würde dir schwerfallen, einen zu finden, der mit uns ginge.«
Ranulf nickte. »Da habt Ihr nur allzu recht, Herr. Kommt Ihr vor Dunkelheit zurück? Es würde mir sogar noch schwerer fallen, einen Suchtrupp nach Euch auszuschicken, wenn erst mal die Sonne untergegangen ist.«
»Bei Dunkelheit
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