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Alarmstufe Blond

Alarmstufe Blond

Titel: Alarmstufe Blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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durchhalte.« Ein Schluchzen bahnte sich aus meiner Kehle seinen Weg ans Tageslicht.
    Ich konnte hören, wie er sich entspannte. »Es ist also nichts passiert?«
    »Nein, nicht wirklich.«
    »Wo sind Sie denn irgendwo im Wald? Was bedeutet das? Gibt es etwas, womit Sie Ihren Ort beschreiben können?«
    »Naja, hier steht ein verfallenes Haus, aber ich weiß nicht, ob es noch mehr von der Sorte gibt. Eine Villa. Sie ist alt und verfallen, aber war sicherlich mal schön.« Ich wollte nicht wie eine nörgelnde Zicke klingen.
    Er schwieg einen Augenblick, dann sagte er nur: »Ich hole Sie ab.« Danach legte er auf.
    »Nein, nicht auflegen!« rief ich. Er war mein einziger Draht zur Außenwelt, und wenn er verstummte, fühlte ich mich wie eine einsame Tiefseetaucherin, der der Sauerstoff ausging und die nun umgeben von unheimlichen Kreaturen auf Rettung wartet, während der letzte Kontakt zur Oberfläche erstirbt. Aber auf der anderen Seite konnte er sich nicht zu meiner Rettung auf den Weg machen, wenn ich ihn am Hörer festhielt.
    Ich setzte mich wieder auf die nassen Holzbretter, umklammerte meine Knie mit den Händen und wartete.
     
    ***
     
    Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Dr. Diercksen endlich eintraf. Ich fühlte mich schon ganz geschwächt und krank vor Kälte, obwohl das sicherlich immer noch mit der Eiscreme zusammenhing, die sich inzwischen ihren Weg nach draußen gebahnt hatte. Es war vermutlich der Gedanke an die einsame Tiefseetaucherin gewesen, der mir den Magen umdrehte, denn schwups, lagen auf einmal Schokoladen- und Pistazieneis im Gebüsch. Immerhin hatte ich die Geistesgegenwart besessen, dafür die Veranda zu verlassen. Diesen Anblick konnte ich Dr. Diercksen dann doch ersparen.
    Er kam in einem pechschwarzen Jeep vorgefahren und hielt direkt vor dem Haus. Es regnete immer noch, daher eilte er schnell zu mir hinüber, eine Decke in der Hand.
    Mühsam stand ich auf. Er reichte mir eine Hand, um mir dabei zu helfen, und, nennt mich schwach, ich nahm sie tatsächlich an. Mit zitternden Fingern wickelte ich mich in die Decke und lehnte mich an meinen Retter (ja, so schwach war ich wirklich). Er fühlte sich so warm an, dass ich am liebsten nicht mehr von seiner Seite gewichen wäre. Doch als er mir die Tür zur Beifahrerseite seines Autos aufhielt, musste ich mich von ihm lösen und einsteigen. Er ging zur anderen Seite und kletterte ebenfalls auf seinen Sitz. Bevor er den Motor anließ, beugte er sich zu mir.
    Für eine Millisekunde hielt ich den Atem an, doch er wollte mich nicht küssen, wie ich einen irren Augenblick lang angenommen hatte, sondern zog mein Augenlid nach unten, um meine Augen zu prüfen, dann fühlte er meine Stirn.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte er besorgt.
    Diesen Blick kannte ich schon. Er war göttlich.
    »Ging mir schon mal besser«, erwiderte ich. »Es war verdammt kalt und nass. Immerhin haben mich keine wilden Tiere zerfleischt.«
    Nichts hilft so sehr, gesund zu bleiben, wie positive Gedanken, das wisst ihr ja schon.
    »Hier gibt es außer Wildschweinen und Rehen keine wilden Tiere.«
    »Keine Wölfe? Oder Bären?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nur Eichhörnchen und Dachse.«
    »Dann habe ich umsonst meine Munition ins Gebüsch abgefeuert?« Es war wahrscheinlich zu spät, um den weiblichen Crocodile Hunter zu spielen, aber, hey, einen Versuch war es wert.
    Er verzog den Mund zu einem Lächeln, so dass die feinen Fältchen an seinen Augen erschienen. »Jagen ist zu dieser Jahreszeit verboten.«
    »Bitte erzählen Sie das nicht den Polizisten, die haben mich schon auf dem Kieker.«
    »Ihr Geheimnis ist bei mir sicher.«
    Er ließ schmunzelnd den Motor an und drehte die Heizung auf. Sofort blies mir wohlig-warmer Wind entgegen. Ich fühlte mich schon fast wieder gut.
    Etwas entspannter lehnte ich mich in meinem Sitz zurück und sah zum Fenster hinaus, während er losfuhr. Dabei streifte mein Blick jedoch den Seitenspiegel. Wie vom Blitz getroffen saß ich wieder aufrecht. Mein Spiegelbild hatte mir einen größeren Schrecken eingejagt, als es je ein Bär oder ein hungriger Wolf hätte tun können. Ich sah aus wie ein Monster. Mein Mascara war völlig verschmiert und lief schwarz meine Wangen hinunter. An meinem Mund klebte Eiscreme, ob sie vom Essen stammte oder davon, dass ich mir das Eis noch einmal hatte durch den Kopf gehen lassen, war nicht mehr so genau identifizierbar. Mein Kopf und meine Haare sahen aus, als wollte ich einen Wettbewerb für die gruseligste

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