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Alarmstufe Blond

Alarmstufe Blond

Titel: Alarmstufe Blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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seinen versteckten Ufern das perfekte Ziel. Vor allem war ich mir ganz sicher, dass ich dort Doktor Diercksen auf keinen Fall begegnen würde.
     
    Ich machte einen großen Bogen um seinen Bootssteg und spazierte fast bis zum anderen Ufer, um ihm nicht doch aus Versehen über den Weg zu laufen, falls er ausgerechnet heute angeln gehen wollte.
    Aber er begegnete mir nicht. Niemand begegnete mir. Ich war mutterseelenallein am See. Heute hätte ich getrost nackt baden können, es hätte wirklich niemanden interessiert. Aber mir war nicht danach.
    Ich lag auf meinem Handtuch, ließ die Sonne auf meinen Bauch scheinen und grübelte. Der Tod meines alten Nachbarn hatte mich mehr getroffen, als mir bewusst war. Ich hatte ihn zwar nur kurz gekannt, aber irgendwie schien er mir vertrauter gewesen zu sein als mein Nachbar in der Stadt, den ich seit drei Jahren kannte und in der Zeit ganze zwei Mal getroffen hatte.
    Ich spürte, wie sich kleine Tränen in meinen Augenwinkeln sammelten. Es tat mir leid, dass ich dem Alten ein Konzert versprochen hatte, aber mein Versprechen nicht mehr einlösen konnte. Er hätte sich sicherlich sehr darüber gefreut. Doch nun war es zu spät. Es war vorbei.
    Ich dachte noch einmal an seine letzten Worte, die er mir am Gartenzaun mitgegeben hatte. Er hatte Recht. Es war erst vorbei, wenn man nicht mehr atmete; solange man lebte, lebte auch die Hoffnung. Aber warum fühlte ich mich dann so elend bei dem Gedanken an Doktor Diercksen? Was, wenn es zwischen ihm und mir doch keine Hoffnung gab, selbst wenn wir beide atmeten, jung waren und uns bester Gesundheit erfreuten? Sein Verhalten heute war alles andere als liebevoll gewesen. Aber was bedeutete dann der Kuss?
    Ich merkte, dass meine Gedanken schon wieder in einer Endlosschleife feststeckten. Ich würde darauf sowieso keine Antwort finden. Und ihn dazu zu befragen, das wollte ich auf keinen Fall.
    Also musste ich mich ablenken, um das Gedankenkarussell zur Ruhe zu bringen. Ich zwang mich, an andere Dinge zu denken. Zum Beispiel versuchte ich, mich auf meine Rückkehr in die Stadt zu freuen. Es gab so viele Dinge, die ich hier vermisste, neben Handyempfang und Internet: einen frischen Kaffee von Starbucks, eine Zeitung in meinem Lieblingscafé, eine Shoppingorgie, einen Film im Kino, ein Rockkonzert, ein Bier in der Bar um die Ecke und und und.
    Doch als ich an alle diese Dinge dachte, stellte sich nicht das erwartete sehnsüchtige Verlangen in meinem Bauch ein, er blieb eigentlich relativ stumm. War ich durch zwei Wochen Landleben inzwischen schon dermaßen abgestumpft, dass mir die Verlockungen der Großstadt keine Freude mehr bereiteten? Ich stöhnte auf. Na, toll. Am Ende meines Urlaubs war ich womöglich sogar suizidgefährdet, weil mir jegliche Lebensfreude abhandengekommen war. Wenigstens würde mich meine Arbeit wieder aufbauen, wenn ich endlich den großen Hit mit meiner Reportage gelandet hatte. Dann würde mich meine Chefin mit anderen Augen sehen. Denn dann hatte ich ihr einen Artikel präsentiert, der mich in der Hierarchie der Zeitschrift eine Stufe höher katapultieren würde. Und ich würde endlich jemand sein, der etwas zu sagen hatte.
    Ich setzte mich auf. Es wurde Zeit, dass ich mich auf die Dinge konzentrierte, die wirklich wichtig waren: mein Job, meine Würde, mein Leben. Alles andere, wie chancenlose Männerbeziehungen, Liebeskummer und Landhausromantik, belastete mich nur und brachte mich auf dumme Gedanken.
    Sobald sich die Gelegenheit ergab, würde ich Carl Berger beibringen, dass er nicht der Mann meiner Träume war. Dem Mann meiner Träume würde ich aus dem Wege gehen, bis ich nicht mehr von ihm träumte. Und das Landleben würde ich als interessante Erfahrung ohne größere Bedeutung abheften.
    Das klang nach einem guten Plan. Zufrieden drehte ich mich auf meinem Handtuch auf die andere Seite. Es war an der Zeit, auch den Rücken zu bräunen.

TAG 15
    17. Juli, noch 0 Tage bis zum Erstschlag
     
     
    Am nächsten Morgen wurde ich durch das schrille Klingeln des Telefons geweckt. Schlaftrunken sah ich auf die Uhr. Es war erst kurz vor sieben. Wer zum Teufel… War etwa wieder jemand gestorben?
    Müde kroch ich zum Telefon und nahm den Hörer ab, bereute es aber noch im selben Moment, als ich die schrille Stimme meiner Chefin hörte.
    »Pippa, ich weiß, du hast Urlaub, aber diese Fiona macht mich wahnsinnig, sie kann nichts finden und macht alles falsch. Meinst du, es ist möglich, dass du ein paar Tage früher

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