Alarmstufe Blond
auch anders geht. Ich habe in der Stadt studiert, wie viele Bewohner, die einige Jahre in Großstädten verbracht haben. Zum Beispiel Doktor Diercksen, Bernard…« Er nannte noch einige, deren Namen mit nichts sagten. »Sie werden sicher schon gemerkt haben, dass wir viel vom Wetter reden, aber nur, weil es hier wichtiger ist als in der Stadt. Während ihr euch in der Stadt vermutlich über kommende Staus und Baustellen austauscht, die den Berufsverkehr behindern, reden wir über das Wetter, wenn es die Ernte bedroht. So hat jeder seine eigenen Themen.« Er zuckte mit den Schultern.
Ich musste ihm insgeheim zustimmen, auch wenn ich das nicht zugab. Ich wedelte nur nonchalant mit der Hand, als wollte ich sagen »Was soll’s« und ließ mir den Computer mit dem Internetanschluss zeigen.
Er befand sich in einem kleinen, verwinkelten Arbeitszimmer auf dem Dachboden. Der Pfarrer machte ihn für mich an, dann ließ er mich allein.
Ich lud zuerst die Datei auf einen USB-Stick, dann steckte ich den Stick an den Pfarreirechner. Ich machte das E-Mail-Programm auf und tippte zuerst die Adresse des Chefredakteurs ein. Er war der Vorgesetzte meiner Chefin und mein erster Ansprechpartner. Er wusste nicht, was im Büro meiner Chefin vor sich ging, und ihm wollte ich unbedingt zeigen, was in mir steckte. Ich schrieb ein paar nette Worte dazu, dass ich einen Job meiner Ausbildung gemäß verdient hätte, dass ich Leser mit meinen Texten begeistern und mitreißen wolle, bereits einen Preis für meine Arbeit erhalten habe und dass er meine Fähigkeiten in dem Artikel gerne nachlesen könne. Dann schickte ich ihn ab.
Im Anschluss daran öffnete ich eine neue Mail, dieses Mal an meine Chefin. Meine Worte an sie waren ähnlich, nur dass ich ihr etwas deutlicher sagte, dass ich endlich als richtige Redakteurin arbeiten und Artikel für die Zeitschrift schreiben wollte. Auch dann klickte ich auf den »Senden«-Knopf.
Mit zitternden Fingern sah ich im Anschluss im »Gesendet«-Ordner nach, ob sie auch wirklich unterwegs waren, dann fuhr ich das Programm herunter und schaltete den Computer aus.
Ich kehrte nach unten zum Pfarrer zurück und bedankte mich für seine Hilfe. Danach ging ich hinaus in den Sommertag, zurück in Carolines Haus, um Computer und Stick loszuwerden, und wollte eigentlich einen kleinen Spaziergang machen, um meine Nerven zu beruhigen. Doch ich kam nicht weit. Direkt hinter dem Ortseingangsschild piepte mein Handy, das ich vorsichtshalber mitgenommen hatte. Nicht dass ich vorhatte, mich jemals wieder in eine Notlage zu manövrieren, zumindest in keine, die es erforderte, Doktor Diercksen anzurufen, aber es fühlte sich einfach gut an, es dabei zu haben.
Es war Caroline, die mich anrief.
»Hallo Süße, was treibst du gerade?«, wollte sie wissen. Sie klang, als würde sie in einer Kirche sitzen.
Ich erzählte ihr von meiner Aktion, meine Karriere anzukurbeln. Meine Hände zitterten noch leicht, denn wenn es schlecht lief, war ich wirklich meinen Job los, und das wollte ich auf keinen Fall.
»Das finde ich gut!«, rief sie. »Es wird auch Zeit, dass du vorankommst. Ich dachte schon, dass das nicht mehr lange gutgehen kann.«
»Meine Chefin wird vermutlich toben, falls sie die Mail überhaupt liest. Und mein Chefredakteur wird gar nicht wissen, was das soll. Ich bezweifle, dass er mich überhaupt kennt.« Ich knabberte nervös an meinem Fingernagel. Es war eine heikle Angelegenheit, ein mutiger Schritt, aber vermutlich meine einzige Chance.
»Ach, das wird schon«, tröstete sie mich. »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.«
Sie hatte auch in dieser Hinsicht genauso tolle Weisheiten drauf wie mein toter Nachbar. Das kam vermutlich daher, dass sie seit einigen Jahren online Artikel aller Art für Blogger schrieb und dabei zu jedem Thema etwas beisteuern musste. Auf diese Weise eignete man sich vermutlich eine Menge Wissen an.
»Und was treibst du?«, wollte ich wissen. »Wo steckst du? Es hallt so, wenn du sprichst.«
»Ich habe gerade die Möbel zusammengepackt. In meiner Wohnung klingt jeder Schritt wie in einer Gruft.« Sie lachte, wurde aber schnell wieder ernst. »Sie kommen morgen bei dir an. Ich hoffe, es ist alles soweit vorbereitet?«
»Ja, ist es. Die Zimmer sind gestrichen und sauber, der Garten in Ordnung gebracht. Wir warten hier auf dich.«
»Prima!«, freute sie sich. »Ich komme dann ein oder zwei Tage später, wenn ich die Wohnung an den Vermieter übergeben habe.«
»Alles klar.«
»Alles
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