Alarmstufe Blond
Strauß Blumen aus dem Garten zur Kirche, neben der sich der Friedhof befand.
Das ganze Dorf war versammelt. Ich kannte noch nicht jeden, entdeckte aber einige bekannte Gesichter. Auch Jasper war gekommen, an der Seite ging eine junge Frau, die ich als die Köchin seines Restaurants wiedererkannte. Offenbar war er nicht an mir interessiert gewesen, weil er sie mochte. Ich nickte ihm zu, er nickte zurück. Es war alles geklärt.
Eine Minute vor zehn kam Leonard. Er sah wieder umwerfend aus. Er trug einen dunklen Anzug, der ihn noch schlanker und größer erscheinen ließ. Er gab ein paar Menschen die Hand, Emma-Louise umarmte er, dann kam er mit einem sanften Lächeln auf mich zu. Mein Herz machte einen Hüpfer, als er sich schließlich zu mir stellte und seinen Arm auf meinen unteren Rücken legte, als wolle er mich stützen.
Dann begann die Zeremonie.
Leider zog Leonard seine Hand in diesem Augenblick wieder zurück, aber in Anbetracht der Umstände und der Umgebung war das in Ordnung.
Zuerst hielt der Pfarrer eine ergreifende Predigt, dann las Emma-Louise die Grabrede vor, wobei sie zweimal betonte, dass ich sie geschrieben hätte. Es war mir ein wenig unangenehm, wie jeder dabei zu mir sah, doch als ich spürte, dass sich Leonards Hand wieder meinem Rücken näherte und dort verharrte, fing ich an, es zu genießen. Das bedeutete nicht nur, dass er zu mir stand, sondern auch, dass er sich nicht davor scheute, von allen Anwesenden an meiner Seite gesehen zu werden. Ich hätte am liebsten gestrahlt und ihn sofort wieder geküsst, aber dafür war die Beerdigung wirklich nicht die passende Gelegenheit.
Nach der Aussegnung warf jeder seine Blumen ins Grab und versicherte Emma-Louise und Jasper seines tiefsten Mitgefühls, dann marschierten wir alle zu Emma-Louises Haus, um einen kleinen Leichenschmaus zu uns zu nehmen.
Ich habe nie verstanden, warum das Essen nach einer Beerdigung Leichenschmaus hieß. Das klang immer danach, als würde die Leiche nicht in der Erde, sondern in unseren Mägen verschwinden. Und das war keine besonders leckere Vorstellung.
Zum Glück gab es bei der Totenfeier von Albert Norden keine Kanapees mit gehäckselter Leber, sondern selbstgemachten Apfelkuchen, Kirschtorte, Erdbeerbowle und saure Gurken.
Die Gäste standen in kleinen Gruppen zusammen im Haus, in meinem Fall waren es Leonard, Chris und ich in der Küche, und sprachen angeregt über dies und das. Worüber sich die anderen unterhielten, kann ich leider nicht berichten, aber ich kann erzählen, dass Chris den Wunsch äußerte, den alten Trecker von Emma-Louise wieder aufzumöbeln und sie deshalb seit Jahren bat, das alte Gefährt an ihn zu verkaufen. Ich muss gestehen, dass ich nur mit halbem Ohr zugehört habe, weil ich ständig Leonards Profil studierte. Ich liebte es, seine schmale Nase, das starke Kinn, die Stirn, über der seine dunklen Haare bei jeder Kopfbewegung wippten, zu betrachten. Hin und wieder sah er zu mir und lächelte, wenn er meinen Blick auf seinen Gesicht ruhen spürte, dann lächelte ich selig zurück. Einmal nahm er meine Hand und drückte sie sanft. Das geschah jedenfalls alles, bevor Tim auftauchte. Denn dann platzte die Bombe.
Ich hatte keine Ahnung, dass gleich die Welt untergehen würde, als er eintrat und uns vergnügt wissen ließ, dass er gerade bei seiner Freundin in der Tankstelle gewesen sei. (Sie hieß Rachel und war süße 17, wollte Verkäuferin für Designermode werden und übte dafür bereits in der Tankstelle in Grolstein.) Dann hielt er die Regionalzeitung und eine Zeitschrift in die Höhe und strahlte, weil er meine Artikel darin entdeckt hatte und diese nun vorlesen wollte.
Zuerst dachte ich lediglich an die Regionalzeitung, und als er meinen kurzen Text über Albert laut zu Gehör brachte, traten mir wie jedem anderen die Tränen in die Augen.
Doch dann schlug er das Journal auf und las die mir ebenfalls gut bekannten Zeilen vor. Es war mein gehässiger Artikel über das langweilige Landleben.
Ich wurde blass.
»Nein!«, rief ich. »Das ist nicht gut! Nicht vorlesen!« Doch da war es bereits zu spät. Je weiter Tim kam, desto stiller wurde es im Raum, und desto mehr wandelten sich die freundlichen Gesichter in fassungslose.
Noch bevor er zum Ende gekommen war, ließ Leonard meine Hand los und verließ das Haus.
Emma-Louises Blick glich dem einer Frau, die gerade herausgefunden hat, dass ihr Mann mit ihrer besten Freundin schläft. Ich sah nur blankes Entsetzen darin.
Ich
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