Alasea 02 - Das Buch des Sturms
sein Körper zuckte krampfartig, als er vollends erwachte. Er blickte sich um. »Was ist geschehen? Wo bin ich?«
Er versuchte, sich zu erheben, doch Mikela legte ihm die Hand auf die Brust. »Du bist in Sicherheit.«
Der Ratte jedoch wurde klar, dass sie ihrerseits keinesfalls in Sicherheit war, und sie kroch an einem Arm des Og’ers hinab. Tol’chuk betrachtete sie, die Lippen über den Reißzähnen vor Ekel gekräuselt. Er schleuderte sie weg, doch Elena fing die Ratte mit beiden Händen auf und hielt sie fest.
»Tol’chuk, die Kleine hier hat dir soeben das Leben gerettet«, sagte sie und wiegte sie an ihrer Brust. Der geschuppte Schwanz wickelte sich um ihr Handgelenk. Nun leuchtete sie nicht mehr und sah wieder aus wie eine ganz gewöhnliche Ratte. Sie kaute gelassen an den winzigen Ranken, die um Elenas Finger gewickelt waren, dann spuckte sie sie aus.
Die Augen des Og’ers wurden klar. »Ich kenne diese Ratte«, sagte er. »Ich hatte sie in meinen Beutel gesteckt.«
»Warum?« fragte Mikela eindringlich, als ob ihre Frage von allerhöchster Wichtigkeit wäre. »Warum hast du das getan?«
Tol’chuk richtete sich zum Sitzen auf. Er zitterte vor Kälte. »Ich weiß nicht. Sie war verletzt.« Tol’chuk zuckte mit den Schultern.
»Hmm …«, war Mikelas einziger Kommentar.
»Was denkst du?« fragte Er’ril.
Mikela deutete auf den Boden. »Gib ihm seinen Herzstein zurück!«
Er’ril bückte sich und hob den wertvollen Edelstein auf. Er war schwer. Er’ril konnte ihn kaum mit einer Hand heben.
»Das Herz …«, sagte Tol’chuk. Er machte ein besorgtes Gesicht und streckte die flache Hand aus.
Er’ril legte den Stein in die Hand des Og’ers. Sobald er Tol’chuks Fleisch berührte, leuchteten die Facetten des Steins wie ein frisch entfachtes Feuer auf. Das Licht funkelte und erhellte den gesamten Raum.
»Er lebt wieder!« rief Tol’chuk aus. »Ich dachte, er sei tot. Ich hatte das Gefühl, er habe mich verlassen.«
Mikela nickte. »Das hat er auch.«
Alle außer Tol’chuk wandten sich zu ihr um und sahen sie fragend an.
»Was ist dir vom Angriff der Bösewächter in Erinnerung geblieben?« fragte sie.
Tol’chuk hob den Blick, um ihr in die Augen zu sehen. »Der wer?«
Mikela erklärte ihm, was ihm und den anderen widerfahren war. Dabei sah es so aus, als würden sich Tol’chuks Augen auf seine beiden Gefährten konzentrieren, die schlummernd und blass auf den Betten neben dem seinen lagen. »Merik ist weg?« fragte er mit betrübter Stimme.
»Was ist dir von dem Angriff in Erinnerung geblieben?« wiederholte Mikela.
Tol’chuk schluckte den Kloß in seiner Kehle hinunter. »Sie erschienen in der Gestalt von Rattendämonen. Aus ihren Augen leuchtete ein böses inneres Feuer.«
»Blutfeuer«, sagte Elena und achtete nicht auf die Blicke der anderen. Sie forderte Tol’chuk mit einem Nicken auf fortzufahren, während ihre Hände die kleine Ratte besänftigten.
»Ihre Augen haben mich angezogen … in eine Weite des Schmerzes und der Verzweiflung versenkt. Ich konnte keinen Widerstand leisten. Ich verirrte mich und fand keinen Weg zurück. Ihr Gesang der Schreie und der Hoffnungslosigkeit schwächte mich. Ich versuchte, mit Hilfe des Herzens Widerstand zu leisten, aber das Herz war tot, nur ein Gesteinsbrocken in meiner Faust.«
»Nein«, widersprach Mikela. »Die Magik hat sich selbst geschützt. Was du beschreibst, habe ich schon einmal gehört. Es gibt eine Form von Bösewächter-Magik, die sich von der Lebenskraft eines Wesens nährt. In diesem Fall haben die Rattendämonen deinen Geist mit ihrer Verzweiflung angezapft - eine sehr wirkungsvolle Magik. Und da in dem Herz die Geister eurer Toten gespeichert sind, hätten die Bösewächter selbst diese Reste von Lebenskraft aufsaugen … und dir damit deine Vorfahren für immer stehlen können.«
Tol’chuk sah sie fassungslos an.
»Um sich zu schützen, flohen die Geister mitsamt ihrer Kraft in ein anderes Behältnis, etwas, das gegen die Augen der Bösewächter abgeschirmt war.« Mikela nickte zu der Ratte in Elenas Händen hin. »Sie blieben dort, bis sie zu dir zurückkehren und dir ihre Energie einflößen konnten, um dich wiederzubeleben.«
Eine Weile lang sagte keiner etwas.
Schließlich brach Er’ril das Schweigen. »Aber was ist mit Kral und Ferndal?« fragte er. »Könnte der Stein auch sie heilen?«
Mikela trat ein Stück zurück und winkte Tol’chuk zu den anderen beiden Betten. »Wir werden es
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