Alasea 02 - Das Buch des Sturms
öffnete Kral die Augen und sah eine rote Flamme. Erschreckt, mit wild pochendem Herzen, schlug er wie verrückt auf die Bedrohung ein, doch seine Arme zappelten in so etwas wie einem straff gespannten Netz.
»Lieg still, Kral!«
Der Gebirgler erkannte Er’rils Stimme, und er sah die Welt um sich herum plötzlich wieder klar. Er lag auf einem Feldbett in einem ihrer Zimmer, eingewickelt in eine Wolldecke. Die Seite tat ihm weh, und in seiner Hüfte spürte er ein Pochen. Er stöhnte, als er sich an seine wilde Flucht aus dem brennenden Lagerschuppen erinnerte.
Tol’chuk entfernte den leuchtenden Herzstein von Krals Gesicht. »Er wacht auf.«
Kral blickte in das besorgte Gesicht des Og’ers auf. Als er Tol’chuk das letzte Mal gesehen hatte, hatte der Og’er hingestreckt am Boden des Lagerschuppens gelegen. Er sah zu dem Nachbarbett hinüber. Ferndal saß dort und schmiegte sich an Elena, die den Wolf hinter den Ohren kraulte. Erleichtert stellte Kral fest, dass auch sie entkommen waren.
Der Gebirgler spürte, dass seine Zunge noch geschwollen war. »Was ist passiert?«
»Du bist von den Bösewächtern angegriffen worden«, sagte Er’ril. »Sie haben mittels eines Verzweiflungsbanns alle Kraft aus dir herausgesogen, doch die Magik in Tol’chuks Herzstein hat dessen Wirkung auf dich aufgehoben.« Die Worte des Präriemannes klangen freudlos.
Kral, der sich an Meriks Zusammenbruch in dem Lagerschuppen erinnerte, sah sich im Raum um, in der Erwartung, den Elv’en irgendwo zu sehen. »Merik?«
»Er ist verschwunden«, erwiderte Er’ril aufgebracht. »Wir hatten gehofft, du könntest uns vielleicht erzählen, was geschehen ist.«
Immer noch etwas wirr im Kopf, befreite Kral einen Arm aus der Decke und stellte fest, dass seine rechte Hand mit einem blutigen Verband umwickelt war. Sie pochte und schmerzte. Dann fiel ihm wieder ein, dass die Ratte seinen Finger abgeknabbert hatte. Ein Schauder durchfuhr ihn. Noch nie war ihm so kalt gewesen, nicht einmal im Schnee in seinen heimatlichen Bergen.
Mikela trat mit einem dampfenden Krug zu ihm. Sie warf Er’ril einen tadelnden Blick zu, als sie Kral das Gefäß reichte. »Kral ist noch sehr schwach. Lass ihm einen Augenblick Zeit, um die Nachwirkungen des Bösewächter-Banns zu verarbeiten, bevor du ihn ausfragst.«
Zitternd nahm Kral den heißen Krug mit der gesunden Hand entgegen; seine Finger legten sich fest um den Humpen, um die Hitze in sich aufzunehmen.
»Trink das!« befahl Mikela und richtete sich zur vollen Größe auf. »Der Tee wird dich stärken.«
Kral widersprach nicht. Anfangs nippte er nur an dem süßen Tee, doch als dessen Wärme sich von seinem Bauch in die Finger und Zehen ausbreitete, schluckte er ihn gierig. Er leerte den Humpen, lehnte sich im Bett zurück, schloss die Augen und hielt ihn mit ausgestrecktem Arm Mikela hin. »Mehr?«
Sie nahm ihm das Gefäß lachend ab. »Das war genügend Spaltbeeren-Extrakt für zwei Hengste. Warte kurz, bis die Wirkung dich ganz und gar durchdrungen hat.«
Ihre Worte erwiesen sich als zutreffend. Bald durchzog eine wohlige Wärme Krals ganzen Körper, und die Decke wurde ihm lästig. Er warf sie von sich. Selbst die schmerzende Seite machte ihm nun weniger zu schaffen. Er richtete sich im Bett höher auf.
Er’ril musterte Kral kritisch, bevor er sprach. »Also, was ist dir von den Geschehnissen im Lagerschuppen in Erinnerung geblieben?«
Kral räusperte sich und begann mit seiner Geschichte. Während er erzählte, wurden die Gesichter der anderen immer grimmiger. »… Dann umzingelten uns die Dämonen. Da Merik bereits vom Gebrauch seiner Magik müde war, brach er bald zusammen. Die Ratten machten sich über ihn her. Es waren nur Rorschaffs kräftige Beine, die mich vor schlimmerem Schaden durch die Zähne der Ungeheuer bewahrten.« Er hielt die verbundene Hand hoch.
Mikela drückte seinen Arm herunter. »Ich habe deine zerfetzte Haut mit Schafsdarm genäht und eine Salbe aus Bitterwurz daraufgestrichen, aber du musst den Arm ruhig halten.«
»Wunden heilen«, entgegnete er und tat ihre Ermahnung mit einer Handbewegung ab. Er wusste von früheren Verletzungen, dass seine Magik die Heilung beschleunigen würde. Er war ein Fels.
Wieder sprach Er’ril. »Also weiter, nachdem du gestürzt bist, haben die Ratten dich angegriffen?«
Kral nickte. »Ich spürte die Blutgier in ihren Augen«, sagte er, und seine Stirn verfinsterte sich. »Wenn Merik weg ist, fürchte ich das Schlimmste.«
Mikela
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