Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Entschlossenheit ihres Gegenübers zu erschüttern. Dieses Vorhaben schlug jedoch fehl. Der Mann behielt einfach sein hintergründiges Lächeln bei. »Bringt mich zu eurem Meister hier in der Festung«, entgegnete er. »Er wird über den Wahrheitsgehalt meiner Worte befinden. Er ist ein Sucher, besitzt also die Gabe, die Magik bei anderen aufzuspüren, nicht wahr?«
Der Dolch in Riemers Hand zitterte. Wie sehr es ihn danach verlangte, das gemeine Grinsen aus diesem Gesicht herauszuschnitzen! Er zwang sein Handgelenk, ruhig zu bleiben. Sein Gegenüber mochte ein geschickter Tai’man-Spieler sein, aber Riemer war ein Meister des Bretts. »Überlasse uns ein paar Strähnen, damit wir sie dem Sucher bringen.«
»Ich würde es vorziehen, ihm den Beweis selbst zu zeigen. Nur ich weiß, wo sich die Hexe versteckt.«
»Und was verlangst du als Gegenleistung für dieses Wissen?«
»Nur mein Leben und einen Gefallen seitens des Schwarzen Herzens: eine kleine Belohnung in Form von Magik als Dank für meine Arbeit, ein Almosen im Vergleich zu dem gewaltigen Ausmaß an Magik, über das er verfügt.« Dann senkte der Mann die Stimme. »Und es ist überdies eine sehr mächtige Magik. Ich habe jene gesehen, die sich den Wünschen des Herrn der Dunklen Mächte widersetzt haben … selbst in kleinen Dingen.« Der Mann schüttelte betrübt den Kopf. »Ich kann mir nur ausmalen, wie er im Falle eines größeren Verrats vorgehen würde.«
Mykoff berührte seinen Bruder am Arm. »Vielleicht ist es am besten, wenn wir ihn zum Zwerg bringen«, flüsterte er.
Riemers Hand spannte sich um den Dolch. »Wenn wir ihn zum Zwerg bringen, wird Torring wissen, dass wir die Absicht hatten, ihn zu hintergehen. Was wir auch tun, wir laufen in jedem Fall Gefahr, bestraft zu werden.« Riemer spürte, dass die Falle, die er so kunstvoll ausgelegt hatte, nun um ihn selbst zuzuschnappen drohte.
»Ich würde lieber den Zorn des Zwergs ertragen«, entgegnete Mykoff, und seine Schultern bebten, »statt mich der Rache des Schwarzen Herzens ausgesetzt zu sehen.«
Riemer rutschte unentschlossen auf seinem Polster hin und her. Gab es einen anderen Weg heraus aus dieser vertrackten Lage? In der Vergangenheit hatten sich ihm auf dem Tai’man-Brett schon schwierigere Situationen dargeboten, und durch schlaues Taktieren war er dann doch noch zum Sieg gelangt. Dabei hatte er jedoch nur den Verlust seiner Spielfiguren riskiert. Hier spielte er um sein Leben. Jetzt würde er all sein Können aufbieten müssen.
Riemer ließ den Blick auf der Suche nach einer Antwort durch den Raum schweifen. Seine Augen blieben an der Schwarzsteinschale haften, die auf einer Kiste stand. Sein linkes Auge zuckte. Er hatte das Gefühl, dass dieses Behältnis eine Antwort in sich bergen mochte. Wenn sie den Zwerg übergehen und diese Angelegenheit direkt dem Schwarzen Herzen vortragen könnten, dann stünde die Unterstützung des Herrn der Dunklen Mächte, bis der Zwerg von ihrem Verrat erfuhr, längst als Schranke zwischen ihnen und Torrings Zorn. Riemers Lippen strafften sich. »Ich habe einen neuen Plan«, sagte er; anscheinend hatte er seine übliche gute Laune wiedererlangt. »Es ist nicht nötig, dass wir unseren Meister hier in der Festung stören.« Er nickte zu der Schale hin. »Mit diesem Ding können wir die Angelegenheit direkt vor das Schwarze Herz bringen.«
Mykoff sog hörbar die Luft ein. Riemers Grinsen wurde ein bisschen breiter. Es bereitete ihm immer wieder Vergnügen, wenn ein unerwarteter Zug auf dem Tai’man-Brett seinen jüngeren Bruder aus der Fassung brachte. Doch noch mehr genoss Riemer den überraschten Ausdruck im Gesicht seines Widersachers. Der Narr wusste nicht, mit wem er seinen Verstand maß.
»W … wie?« stotterte der Mann. »Wie sollen wir die Schale dazu benutzen, mit ihm zu sprechen?«
»Blut«, antwortete Riemer, erneut begeistert über den erschreckten Ausdruck im Gesicht seines Gegenübers.
»Wessen Blut?«
»Das Blut eines Elementargeistes wird genügen.« Riemer hob den Dolch. »Das deine ist bestens für den Zweck geeignet. Da du ja, wie du so kühn verkündet hast, ein Elementargeist bist.«
Das tiefe Unbehagen, das aus dem Gesicht des Mannes sprach, riss Riemer gar zu einem leisen Kichern hin. Wie sehr er ein gutes Tai’man-Spiel genoss - besonders wenn er der Gewinner war.
Aus der Tiefe des Turms drangen keine weiteren Schreie mehr herauf. Tol’chuk war sich sicher, dass er soeben noch Meriks Stimme gehört hatte. Er
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