Alasea 02 - Das Buch des Sturms
gewandeten Fremden. Der dunkelhäutige Mann hatte sich als Bruder Moris vorgestellt und - nachdem er sich den röchelnden Brant unter den muskulösen Arm geklemmt hatte. Joach mit einem Handzeichen bedeutet, er möge ihm in den Geheimgang folgen.
Im ersten Augenblick bedauerte Joach, dass er der Aufforderung des Bruders gefolgt war. Er drückte eine Hand gegen die Tür hinter ihm. Sie war fest verschlossen. Der Tunnel vor ihm war durch den großen Mann verstellt, der Brant trug.
»Was … was hast du mit dem Küchenjungen vor?« fragte er, da er sich fürs Erste noch scheute, die wichtigeren Fragen zu stellen.
»Er hat einen üblen Charakter und könnte sich als Gefahr für die Insel erweisen. Nach Verabreichung eines Giftes, das seine Erinnerung reinigen wird, werden wir ihn im Waisenhaus von Port Raul aussetzen. Er wird für dich keine Bedrohung mehr darstellen.«
Obwohl Joach keinerlei Zuneigung zu dem grausamen Jungen hegte, war er abgestoßen von der beiläufigen Art, mit der der Bruder plante, den Jungen zum Waisen zu machen. »Seine Eltern …?«
Moris wandte sich zu Joach um. Der Bruder hatte im Tunnel die Kapuze zurückgeworfen, und sein kahler Kopf glänzte im flackernden Lampenlicht. Seine tiefe Stimme hallte in dem Gang wider. »Mach dir keine Sorgen, Sohn. Der Junge hat keine Eltern. Die gesamte Dienerschaft der Ordensburg wurde aus Waisenhäusern im ganzen Land entführt, oder es handelte sich um Leute, die von der Welt insgesamt abgelehnt wurden.« Der Bruder setzte seinen Weg durch den Gang fort. »Wir suchen uns nur Leute ohne Vergangenheit aus, um sie hierher zu bringen.«
Joach folgte dem breiten Rücken des Bruders zu einer schmalen Treppe, die sich ins tiefe Innere der Ordensburg hinabwand. »Und was ist mit mir?«
»Das bleibt abzuwarten.« Moris marschierte weiter und sprach dabei. »Warum bist du heute Morgen hierher zurückgekehrt?«
Joach schluckte krampfhaft. »Ich habe euch gestern auf der Treppe sprechen hören …«
»Du hast uns belauscht.«
»J-ja, aber ich konnte nicht anders. Ich weiß nicht, wem ich hier vertrauen kann.«
»Während du also eine Lüge spieltest, hast du die Wahrheit gesucht?«
Joach hörte den Zweifel in der Stimme des anderen. »Ich vermute …«
»Wer hat dich geschickt?«
»Geschickt?«
»Wer hat dich geschickt, um unseren Bruder Greschym auszuspionieren?«
Joach stolperte über die eigenen Füße und blieb stehen. Wussten diese Brüder in den weißen Umhängen nichts von dem Dunkelmagiker, oder - noch schlimmer - standen sie mit ihm im Bunde? Wenn das Letztere zutraf, war sein Schicksal besiegelt.
Moris hörte, dass Joach stehen geblieben war, und drehte sich um. Er musterte ihn mit argwöhnisch zusammengekniffenen Augen. »Dienst du dem Herrn der Dunklen Mächte?« fragte er schroff. »Kommst du auf Veranlassung dieser brütenden Schlange im Turm, dieses Prätors?«
Joach riss die Augen weit auf. Dann kannten diese Brüder also das Böse, das sich hinter ihrem Oberhaupt verbarg! Joach stellte fest, dass er zunächst kaum ein Wort herausbrachte, als er versuchte zu sprechen. Hier waren wirklich Verbündete!
»Nein, nein … keineswegs. Ganz im Gegenteil. Ich weiß, dass er die Verkörperung des Bösen ist. Ich wurde aus meiner Heimat entführt, und zwar von demjenigen, den du Greschym nennst. Genau wie der Prätor ist er ein Geschöpf des Bösen, ein Dunkelmagiker. Sie stehen miteinander im Bunde.« Joach stand auf den Stufen der Geheimtreppe und brachte aufgeregt seine Geschichte vor. Wie ein Fluss, der einen Damm durchbricht, strömten ihm die Worte von den Lippen. Er erzählte von seiner Entführung, von seiner Versklavung durch Greschym, von den Grausamkeiten, die er erlitten hatte, und seiner unerwarteten Befreiung im Großen Hof. Tränen rannen ihm über die Wangen.
Moris hörte ihm schweigend zu. Vermutlich wusste er, dass jede Unterbrechung der Erzählung dazu führen würde, dass Joach sich vollends in Tränen auflöste. Das war eine Geschichte, die erzählt werden musste, und Bruder Moris ließ sie einfach aus dem Jungen herausströmen.
»… ich wusste nicht, wer noch alles mit Gul’gotha im Bunde stand, deshalb habe ich mich weiterhin wie ein schwachsinniger Diener benommen, während ich insgeheim Erkundigungen nach einem Fluchtweg angestellt habe. Ich wusste nicht, wem ich vertrauen konnte.« Schließlich versiegte der Wortschwall in Joachs Kehle.
Moris legte Joach die Hand auf die Schulter. »Mir kannst du
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