Alasea 02 - Das Buch des Sturms
erwiesen.«
Während Geral weiter zurückwich, drängten sich einige Sektenangehörige um ihn. Sein Zorn sprang anscheinend auf sie über. Raunend pflichteten sie ihm bei. »Sie müssen hinausgeworfen werden!« erklärte Geral schließlich mit dröhnender Stimme, bestärkt von den anderen und seiner eigenen Angst.
Noch mehr Männer in Kutten kamen herbei und unterstützten ihn.
Flint wollte mit ihnen reden, doch der dunkelhäutige Mann legte dem Alten die Hand auf die Schulter. »Wir haben einen Fehler gemacht«, sagte Moris ruhig zu Flint. »Die Vision war richtig. Ohne den Leibgefährten wird Ragnar’k sterben, wenn er erwacht. Er wird in jenem Fels verenden, der ihn so viele Jahrhunderte lang in Sicherheit bewahrt hat. Er kann ohne die Kraft einer Mer’ai und ihres Leibgefährten nicht aus dem Stein befreit werden.«
»Es tut mir Leid«, erwiderte Flint. »Ich dachte … Sie ist eine Mer’ai, und sie hat den verwundeten Drachen beschützt.«
Plötzlich erschütterte ein lautes Krachen den Raum. Aller Augen - selbst die Gerals - wandten sich dem gemeißelten Drachen zu.
Saag-wan wusste, trotz der anders lautenden Äußerungen, dass alle hier erwarteten, der Drache würde sich bewegen. Doch es war der Junge, der auf die wahre Ursache des Lärms deutete. »Da!« Sein schriller Schrei ließ alle aufhorchen.
Links neben dem Drachen brodelte die Wand, als ob sie aus geschmolzenem Stein bestünde. Während sie sich in trägen Wirbeln drehte, wurde sie immer schwärzer, einem Bluterguss vergleichbar. Bald fleckte an der Stelle, wo zuvor Fels gewesen war, ein öliger Schatten den Stein. Während sie alle gebannt dorthin starrten, brach plötzlich eine Faust aus der schattenhaften, blubbernden Schwärze - eine Faust, die einen langen Stab umfasst hielt, den schwarze Energie umströmte. Der Stock schien das Licht und die Wärme der Höhle anzuziehen.
Saag-wan wurde übel beim Anblick der bösartigen Kraft, die um den Stab tanzte. Ihr Magen drehte sich, passend zu den wirbelnden Schatten. Sie wich zurück und stieß gegen Kast. Der seltsame Junge stand jetzt neben ihr. Nur sie hörte seine geflüsterten Worte. »Er hat mich gefunden. Ich habe ihn hierher geführt.« Grauen schwang in seiner Stimme mit.
Aus der Wand trat ein mit einer Kutte bekleideter Mann, eingehüllt in tintenschwarzen Schatten. Er ging gebückt und stützte sich nun auf den Stock. Sein Gesicht war faltig und fleckig, seine Augen alterstrüb. Ihm folgte ein zweiter, größerer Mann, von gegensätzlicher Gestalt. Mit geradem Rücken und glatten Zügen stand er da und überschaute den Raum. Man konnte sein Gesicht als schön bezeichnen, doch es war die Schönheit behauenen Steins: kalt, hart und grausam.
Saag-wan erschauderte bei dem Anblick der beiden. Sie bebte innerlich.
»Das ist der Prätor!« rief Geral hinter Saag-wan aus. »Wir sind verraten worden!«
Flint sprach ohne Hoffnung. »Das Verhängnis hat uns ereilt.«
Seine Worte trafen Saag-wan ins bebende Innere, drehten ihr den Magen um und setzten ihre Eingeweide in Brand. Sie stöhnte auf und griff sich plötzlich an den Bauch, dann fiel sie auf die Knie, blind vor Schmerz, der in ihr aufstieg. Sie wippte vor und zurück, die Arme fest um den Leib geschlungen. So schlimm war es noch nie gewesen.
Der Junge war der Einzige, der sich niederbeugte, um ihr beizustehen. »Wir müssen fliehen!« sagte er und wollte sie dazu bewegen, aufzustehen.
Sie hatte nicht die Kraft, ihm zu antworten; selbst das Aufstehen war unmöglich, da der sengende Schmerz ihren Unterleib durchbohrte.
O Mutter in der Tiefe, bitte, nicht jetzt!
Ihr Flehen wurde nicht erhört. Ein letzter Krampf packte ihren Bauch. Blut quoll zwischen ihren Schenkeln hervor, durchtränkte ihre engen Beinkleider, mehr Blut, als sie jemals während eines ihrer Monatszyklen vergossen hatte.
»Du blutest«, sagte der Junge und ließ ihre Schulter los. »He, ihr da, sie blutet! Wir müssen sie hier rausschaffen!«
Kast bückte sich zu ihr hinab, von der Hand des Jungen gezogen. Er riss die Augen weit auf. Schnell zog er sich den Schal vom Hals und versuchte, die Blutung zu stillen.
Saag-wan schob seinen Arm weg, doch ihr Blick fiel auf die Tätowierung, die einen tauchenden Meerfalken darstellte. Nun, da das Halstuch sie nicht mehr verbarg, war sie wieder deutlich an Kasts Hals zu sehen. Saag-wan erstarrte, ihr Atem stockte, ihre Augen waren gebannt auf die rote und schwarze Darstellung gerichtet. Ihr Blick begegnete dem gierigen
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