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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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Starren des jagenden Falken. Sie konnte sich nicht beherrschen. Unwillkürlich hob sie die Hand zu Kast.
    Plötzlich brüllte Flint ganz aus der Nähe, obgleich es klang wie aus weiter Ferne: »Nein! Das darfst du nicht!«
    Doch es war zu spät.
    Sie berührte mit den Fingerspitzen den Meerfalken.
     

 
     
    23
     
    Als sich Joach zum Fuß des aus Stein gehauenen Drachen beugte, wirbelte das Chaos durch die Höhle. Er kam sich vor wie auf einem aufgewühlten Meer aus weißen Kutten. Einige huschten an ihm vorbei und versuchten, den beiden Dunkelmagikern zu entfliehen, während andere den üblen Gestalten zustrebten und Messer aus den Falten ihrer Gewänder zückten. Anscheinend waren nicht alle willens, ihr Höhlenheiligtum so ohne weiteres dem Herrn der Dunklen Mächte zu überlassen.
    Aus der gegenüberliegenden Ecke der Höhle züngelten schwarze Flammen hervor und zischelten zwischen den weißen Gewändern. In dem ganzen Durcheinander hatte Joach Greschym und den Prätor aus den Augen verloren. Schreie und durchdringendes Gebrüll schallten durch die Höhle, doch noch schauderhafter als das Knistern des schwarzen Feuers war das gelegentliche eisige Lachen, das aus dem Kampfgetümmel aufschrillte. Es war die Freude eines schwarzherzigen Eroberers, dem das Gemetzel und das Blut an seinen Händen höchstes Vergnügen bereiteten.
    Da Joach sich nicht sicher war, in welche Richtung er fliehen sollte, blieb er einfach neben dem Mädchen hocken. In seinem Kopf drehte sich alles, und sein Herz war schwer vom Gefühl der Schuld. Wie war Greschym ihm gefolgt? Der Dunkelmagiker musste gewusst haben, dass Joach ein falsches Spiel trieb, und er hatte Joach als Köder missbraucht, um die Ho’fro aus der Ordensburg zu treiben.
    Während er so dakauerte, tönte das Lied des Drachen in ihm, durchdrang ihn bis ins Knochenmark. Es richtete sich an sein Herz; es kündete von Erlösung, von Befreiung. Joach wünschte, er könnte darauf eingehen.
    Er sah, wie das blutende Mädchen neben ihm die Hand zu ihrem großen, schwarzhaarigen Beschützer ausstreckte. Sie berührte den tätowierten Hals des Mannes, beinah wie eine Liebende. »Kast«, murmelte sie leise, »ich brauche dich.« Doch der Mann zuckte unter ihrer Berührung zusammen, als ob ihre Fingerspitzen heiße Kohlen wären. Eine Mischung aus Keuchen und Seufzen stieg aus seiner Kehle auf.
    Joach streckte den Arm zu dem Mann aus, um festzustellen, ob dieser Hilfe brauchte, doch als seine Hand Kasts Ärmel berührte, schwoll seine Seele plötzlich an vom Lied des Drachen. Der Raum um ihn herum verschwand, und Joach befand sich mit einem Mal in der Schwebe, hoch über einem mitternächtlichen Meer. Unter sich sah er das Wasser, gefleckt von schlanken Schiffen mit roten Rümpfen, deren Galionsfiguren Feuer speiende Drachen darstellten. Tausende Laternen schaukelten an den Takelagen und erhellten die Schiffe und das Meer um sie herum. Doch das war nicht der Anblick, der sein Blut in Wallung brachte. Zwischen den Booten, auf den Wellen reitend wie auf Pferden in der Prärie, waren unzählige Seedrachen, kleinere Artgenossen Ragnar’ks, und auf ihnen saßen schlanke, barbusige Gestalten. Joach kannte die alten Fabeln und gab diesen Drachenreitern einen Namen.
    Die Mer.
    Plötzlich schwang das Bild näher zu ihm heran, als ob er ein Falke wäre, der hinabtauchte. Er landete auf dem Deck des größten Schiffs. Wettergegerbte und vom Meer gehärtete Männer drängten sich um ihn. Seine Aufmerksamkeit jedoch galt ausschließlich einem großen Mann, der am Vordeck stand. Er hatte dunkles, von Grau durchzogenes Haar, und man hätte ihn für den älteren Bruder des Mannes namens Kast halten können. Nur spürte Joach, dass es sich nicht um einen Bruder, sondern um einen seiner Vorfahren handelte. Er wusste, dass das, was sich jetzt seinem Auge darbot, vor langer Zeit geschehen war. Die Personen waren seit langem tot, das Schiff war längst versunken und vermodert.
    Eine kleine, zierliche Frau stand vor diesem kräftigen Hünen. Ihr silbergrünes Haar passte zu dem des Mädchens in der Höhle. Als die Frau die kleine Hand zum Hals des Mannes hob und die Tätowierung berührte, fielen Joach zwei Dinge auf: Ihre Hände waren mit Schwimmhäuten versehen, und die Tätowierung - die eine Art Raubvogel darstellte - glich derjenigen an Kasts Hals. Der Mann, von dem Joach augenblicklich wusste, dass er das Oberhaupt dieser von der Schifffahrt geprägten Männer war, wich vor der Berührung der

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