Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Kutte aus Flints Griff. »Du und die anderen, ihr hättet aus der Sekte hinausgeworfen werden sollen.«
Flint schüttelte traurig den Kopf. »Wiederholen wir damit nicht die Geschichte, Bruder? Die Ho’fro wurden einst wegen ihrer schicksalhaften Worte aus A’loatal hinausgeworfen. Machen wir jetzt womöglich dasselbe?«
Flints Worte erschütterten den Mann offensichtlich, seine Stimme klang nun weniger zornig. »Aber Moris spricht von unserem eigenen düsteren Schicksal, dem Tod unserer Sekte.« Der andere wollte offenbar eine Art Trost von Flint erhalten.
Er bekam ihn nicht. »Unser düsteres Schicksal ist vorbestimmt«, erklärte Flint. »Die Ho’fro haben Ragnar’k während zahlloser Jahrhunderte beschützt. Nach dem heutigen Tag werden wir nicht mehr gebraucht werden. Die Zeit ist gekommen, da jemand Neues die Last auf sich nimmt.« Flint berührte sanft Saag-wans Arm.
Die Schultern des anderen Mannes sackten schlaff nach vorn, als fügte er sich in das Unabänderliche. »Ist sie eine Me’rai?« fragte er mit müder Stimme; nun erst war ihm ihre Gegenwart zu Bewusstsein gekommen. Seine Augen, die zuvor eiskalt gewesen waren, musterten sie jetzt mit mitfühlendem Blick.
Flint hob Saag-wans Hand. Verwirrt durch ihre Unterhaltung, erhob sie keine Einwände, als Flint ihre Finger spreizte, um die Schwimmhäute zu zeigen.
»Du warst schon immer ein guter Fischer, Flint«, räumte der andere mit einem leisen Schnauben ein. »Ich habe gehört, du hast auch ihren Drachen mit dem Netz gefangen.«
»Er ist in der Grotte, verletzt, aber lebend. Die Heiler arbeiten daran, ihren Leibgefährten zu retten.«
Saag-wan war es leid, diesen Irrtum weiter hinzunehmen, und sie räusperte sich, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Conch ist nicht mein Leibgefährte«, sagte sie schwach.
Flint klopfte ihr sanft auf die Schulter. »Dass du kein Kind empfangen hast, hindert ihn nicht daran, dein Leibgefährte zu sein. Es ist dein Monatsblut, das euch verbindet.«
»Ich … ich weiß.« Sie errötete ein wenig, weil das Gespräch sich mit einem so intimen Thema beschäftigte. »Conch ist mein Freund, aber wir sind nicht als Leibgefährten miteinander verbunden. Er ist der Drache meiner Mutter.«
Flints Gesicht verzerrte sich vor Schreck. »Aber die Prophezeiung war eindeutig … der Befreiungszauber …« Er sank neben ihr auf den Stein und packte sie bei den Schultern. »Conch muss dein Leibgefährte sein!«
Sie schüttelte den Kopf, während der kleine Mann sich die Kapuze wieder über den Kopf zog.
»Ich habe dir doch gesagt, Moris hat sich getäuscht«, sagte Geral. Vor Erleichterung klang seine Stimme beinahe schrill.
Eine tiefere Stimme dröhnte hinter ihnen. »Ich habe mich nicht getäuscht.«
Alle drehten sich um und starrten den großen, dunkelhäutigen Mann an, der lautlos hinter sie getreten war. Er warf die Kapuze zurück, und auf seinem kahlen Schädel spiegelte sich das Leuchten der Wurzel. »Ragnar’k erwacht. Das ist sicher. Ich höre es seiner Stimme an. Und die Prophezeiung war außergewöhnlich genau. Wenn sich der steinerne Drache bewegt, müssen die Mer’ai und derjenige, der ihr durch die Bande zugetan ist, anwesend sein, damit der Zauber wirkt - sonst ist das düstere Schicksal A’loatals besiegelt.«
Plötzlich stürmte ein rothaariger Junge mit Gepolter neben den hoch gewachsenen, dunkelhäutigen Mann. Er hielt sich die Ohren zu. »Es ist so laut«, rief der Junge mit erhobener Stimme, als versuchte er, das Tosen eines Sturms zu übertönen. Er wimmerte vor Schmerz.
Saag-wan betrachtete den Jungen. Dem Anschein nach war er ungefähr so alt wie sie, und aus seinen grünen Augen sprach ebenso viel Verwirrung wie aus den ihren.
»Das ist der Junge von der Treppe!« sagte Geral plötzlich aufgebracht. »Moris, wie konntest du es wagen, ihn hierher zu bringen? Er ist ein Geschöpf des Herrn der Dunklen Mächte.«
»Nein, er ist ein starker Weber«, entgegnete der dunkelhäutige Mann. »Ragnar’k hat auch ihn gerufen.«
Geral wich von allen anderen zurück. »Du verstößt gegen unsere Gesetze, Moris! Flint! Ihr habt unsere geheiligten Geheimnisse Fremden preisgegeben. Und wofür? Für eine falsche Vision! Die Prophezeiung wird sich nicht bewahrheiten!« Er deutete auf Saag-wan und machte dabei ein so wütendes Gesicht, dass Kast sich schützend vor sie stellte. »Sie ist ohne einen Drachen gekommen, der ihr Leibgefährte ist! Die Prophezeiung hat sich als falsch
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