Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Hand auf die Schulter, schwieg jedoch.
Kast wusste, dass hier keine Worte helfen würden. Manchmal bot das Leben nur die Wahl zwischen zwei grausamen Möglichkeiten. Blutreiter wussten das nur allzu gut. Dennoch konnte Kast die Tränen auf Saag-wans Gesicht, während sie neben Conch kniete und die Wange an ihren Freund drückte, nicht einfach übergehen.
»Dann gibt es also keine Hoffnung?« fragte Flint.
Schweigen war die Antwort.
»Ich werde es ihr sagen«, hörte Kast seine eigenen Worte, bevor ihm bewusst wurde, dass er selbst gesprochen hatte.
Flint sah ihn mit einem etwas überraschten Gesichtsausdruck an. Dann wurde sein Blick ernst, und er nickte.
Kast ging zu dem Mädchen, seine Beine wogen plötzlich schwer.
Hinter ihm murmelte Ewan: »Es ist jammerschade, dass die heilenden Eigenschaften von Meerdrachenblut die eigenen Wunden eines Drachen nicht heilen können.«
Sein Grübeln wurde von niemandem beachtet, bis Flint plötzlich herausplatzte: »Könnte das Blut eines anderen Drachen Conch helfen?«
Kast verlangsamte seinen Schritt in Richtung des Mädchens. Hatte Flint einen Plan?
Die Stimme des Heilers klang hoffnungslos. »Bestimmt. Aber das würde ziemlich lange dauern. Die Verletzungen des Seedrachen sind schwer, und wir haben nur ganz wenige Tropfen in der Apotheke der Ordensburg - nicht annähernd ausreichend, um diesem Patienten hier zu helfen.«
Kast seufzte. Der Drache würde also sterben. Er ging weiter; seine Stiefel berührten den Saum des Wassers.
»Warte mal, Kast!« rief Flint ihm nach.
Er blieb stehen und wandte sich um.
Flint eilte zu ihm, seine Augen leuchteten. Moris folgte ihm. »Saag-wan«, rief Flint aufgeregt, »komm her!«
Bei Flints Worten hob sie den Kopf, stand jedoch nicht auf, sondern blieb neben ihrem Freund kauern. »Sein Tod ist nah«, sagte sie mit so viel Verzweiflung in der Stimme, dass Kast einen Schritt näher zu ihr trat.
»Ich weiß, ich weiß, aber jetzt ist nicht die Zeit zu weinen. Deine Tränen werden ihm nicht helfen, doch etwas anderes könnte ihm vielleicht nützen.«
Sie schniefte und wischte sich die Nase ab. »Was denn?«
»Komm einfach her. Wenn du Conch retten willst, so musst du etwas tun.«
Saag-wan sah Flint zweifelnd an, dann stand sie auf. Joach half ihr über die rutschigen Steine, damit sie zu ihnen gelangen konnte. »Was soll ich denn tun?«
»Ich muss dich bitten, den Drachen noch einmal herbeizurufen.«
Kast sah das unverhohlene Entsetzen in ihren Augen. Was redete Flint da?
Saag-wans Stimme bebte. »Das kann ich gar nicht … ich weiß nicht, wie ich das machen soll.«
Flint ließ nicht locker. »Wie hast du es angestellt, als du Ragnar’k das letzte Mal gerufen hast?«
Saag-wan sah Kast an. Er erwiderte ihren Blick stirnrunzelnd. Erwartete sie etwa von ihm, dass er eine Antwort wüsste? Dann spürte er, wie ihr Blick von seinem Gesicht zu seinem Hals wanderte. Sie deutete auf seine Tätowierung.
Alle Augen wandten sich ihm zu. Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück. »Was ist los?« murmelte er. »Was gafft ihr mich alle so an?«
Flint hatte die Augen weit aufgerissen, dann stieß er ein prustendes Lachen aus. »Jetzt dämmert mir allmählich etwas!«
»Was ist los?« wiederholte Kast.
Flint packte Kast am Ärmel. »Komm!« drängte er und zog ihn zum Rand des Wassers. Er deutete auf Kasts Spiegelbild in dem ruhig daliegenden See. »Sieh dir mal deine Tätowierung an.«
Kasts Miene verfinsterte sich noch mehr. Was hatte dieser Narr vor? Dann war es an ihm, die Augen weit aufzureißen. Er hob die Hand, um die Tätowierung zu berühren, die ihm während der Männlichkeits-Zeremonie in die Haut geätzt worden war. Der Meerfalke war verschwunden. Jetzt prangte ein Drache auf seiner Haut. Er sah Flint an. »Was geht hier vor?«
Flint zog ihn wieder zu dem Mädchen und berichtete ihm, was sie alle in der Höhle miterlebt hatten.
Während Kast zuhörte, fiel ihm das Atmen in der feuchten Höhlenluft immer schwerer. »Willst du etwa sagen, ich habe mich in diesen Drachen verwandelt - diesen Ragnar’k?« Seine Stimme war belegt vor Fassungslosigkeit.
Flint ging nicht auf seine Frage ein. »Kind, wie hast du diese Verwandlung ausgelöst?«
Sie vermied es, Kast ins Gesicht zu sehen. »Ich habe ihn berührt …« - sie schwenkte beinahe entschuldigend die Hände - »… und zwar an seiner Tätowierung.«
Moris ergriff als Nächster das Wort. »Das ist seltsam. Saag-wan und Kast standen unter dem Bann, als sich
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