Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Antworten bemühen, solltest du deine Blöße bedecken, Kast. Es sind Damen zugegen.«
Der große Mann schien sich endlich seiner Nacktheit bewusst zu werden ebenso wie des erröteten Mädchens, das beflissen die Augen von ihm abgewandt hielt.
Er brummte etwas vor sich hin und nahm den Umhang entgegen, den Moris einem der toten Brüder ausgezogen hatte.
»Und was nun?« fragte Kast, während er sich den Umhang umlegte. Er war entschieden zu klein für ihn und reichte ihm kaum bis zu den Knien.
»Heute ist allerlei Seltsames geschehen«, bemerkte Moris, während die Höhle erneut bebte. »Auf jeden Fall ist dieser Ort hier nicht mehr sicher, und damit meine ich nicht nur diese Höhle, sondern ganz A’loatal. Wir brauchen einen Platz, wo wir uns über all das Geschehene klar werden und darüber nachdenken können, was all das in Wahrheit zu bedeuten hat, und - was noch wichtiger ist - um unsere weiteren Schritte zu planen. Vor uns liegen düstere Zeiten. Der Prätor weiß jetzt, dass er entlarvt ist, und er wird versuchen, die Stadt mit seiner schwarzen Magik zu überziehen. Was mich betrifft, ich möchte nicht hier sein, wenn er die Gul’gotha-Horden auf diese Insel ruft - jedenfalls nicht, solange wir nicht darauf vorbereitet sind.«
»Ich denke, in dieser Hinsicht stimmen wir ausnahmslos mit dir überein«, erwiderte Flint.
Alle nickten.
»Dann lasst uns verschwinden«, sagte Kast und machte sich auf den Weg in Richtung Tunnel.
»Warte!« rief Joach, dessen Blick auf einen Gegenstand gefallen war, den er nicht hier zurücklassen wollte. Er lief schnell zu der Stelle und griff nach Greschyms Stock. Er lag immer noch auf dem Stein, wo Schorkan ihn hatte fallen lassen. Joach erinnerte sich an Greschyms qualvollen Schrei kurz vor seinem seltsamen Verschwinden. Dabei waren die Augen des Dunkelmagikers auf seinen verlorenen Stock gerichtet gewesen.
»Vielleicht ist es am besten, wenn du das unheilvolle Ding einfach hier lässt«, meinte Flint.
»Nein. In ihm bündelt sich die Macht«, entgegnete Joach, während er den Stock behutsam aufhob. Er fühlte sich wie gewöhnliches Holz an, wenn auch ein weniger öliger als üblich. Tränen stiegen Joach in die Augen, und seine Stimme klang erstickt. »Greschym hat mir mein Zuhause gestohlen, meine Eltern. Deshalb nehme ich jetzt ihm seinen Stab weg, und eines Tages werde ich zurückkehren und ihn zur Rechenschaft ziehen.« Joachs Stimme wurde härter. »Aber zuerst muss ich meine Schwester finden, bevor die anderen sie finden.«
»Was wollen sie von deiner Schwester?« fragte Flint.
Joach ging an ihm vorbei. Er hatte die Geheimnistuerei satt. »Sie ist eine Hexe.«
24
Kast folgte den anderen als Letzter. Keiner sprach. Jeder war in seine eigenen Gedanken versunken. Kast konnte sich noch immer keinen Reim auf das machen, was ihm widerfahren war. Er erinnerte sich daran, wie der Dämon in dem flammenden Gewand auf ihn herabgesunken war und wie Saag-wan ihn an der Wange berührt hatte … danach - an nichts mehr. Das Nächste, was er wusste, war, dass er vor den anderen gestanden und sich verwirrt umgeschaut hatte.
Während er so hinter Saag-wan durch die Gänge schritt, rieb er sich hin und wieder am Hals und an der Wange. Dort spürte er immer noch ein schwaches Brennen, als ob seine Tätowierung frisch in die Haut eingestichelt worden wäre. Was hatte das Mädchen mit alledem zu tun? Auf Jarplins Schiff waren sie in einer seltsamen, durch einen Zauberbann erwirkten Einheit miteinander verbunden gewesen. Er erinnerte sich ganz genau an die Einzelheiten: den Tod der Hort-Brüder, den blutigen Dolch in seiner Hand, Saag-wans kühle, nackte Haut an seinen Armen, als er sie aus der Schiffskombüse hinaustrug. An all das erinnerte er sich deutlich, doch von den jüngsten Ereignissen war ihm nichts in Erinnerung geblieben. In seinem Gedächtnis klaffte eine große Lücke.
Und das gefiel ihm gar nicht.
Was war geschehen? Warum sah das Mer’ai-Mädchen ihn mit einer Spur von Angst in den Augen an?
Der Gang wurde von einem plötzlichen heftigen Beben erschüttert. Kast konnte sich kaum auf den Beinen halten. Vor ihm stürzte Saag-wan auf die Knie. Von hinten drang ein gewaltiger Krach an seine Ohren, gefolgt von einem Wirbel aus Steinstaub, der aus den tieferen Gängen heranwallte und die Gruppe einhüllte. Hustend zog Kast Saag-wan auf die Bein, während sich die Staubwolke allmählich auflöste. Er hatte die Absicht, sie zu stützen, doch sie entzog
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