Alasea 02 - Das Buch des Sturms
durch tapfere Worte nicht allzu lange. Wenn sie es wagen sollten, den Sumpf herauszufordern, dann brauchten sie ein Zeichen, dass dieser Mann sich nicht als Gefahr für sie erweisen würde, einen überzeugenderen Beweis als nur seine Worte.
Ein schwaches Stimmchen sprach hinter Er’ril, sodass der Schwertkämpfer zusammenzuckte. »Was macht’n ihr alle?«
Er’ril drehte sich um und sah einen kleinen Jungen mit nacktem Popo, der am Rand des Kahns stand. Er bohrte sich hingebungsvoll in der Nase. »Wir müssen los«, sagte er und zog den Bohrfinger heraus. »Die Sonne ist aufgegangen, und ein Ungeheuer kommt, um euch alle aufzufressen.«
Der Blutjäger hatte den Fuß des Landbruchs erreicht, als die Morgendämmerung den Himmel im Osten erhellte. Torring hielt inne, um den Geruch der Beute aufzunehmen. Der Sumpf füllte seine Nüstern und versuchte, seine vorwitzige Nase zu überwältigen. Doch die Magik der Hexe war wie eine Ader aus Silberstein, hell leuchtend zwischen den unzähligen Gerüchen des Ertrunkenen Lands. Er ging in die Hocke und huschte so über die Böschung aus Felsgeröll und Dornengebüsch am Fuß der Klippe, wobei seine Nase die Fährte erschnupperte.
Sie war nah.
Obwohl er keine Angst hatte, bewegte sich der Zwerg mit größter Vorsicht. Er wollte seine Beute nicht aufschrecken. Je höher die Sonne aufstieg, desto kürzer würden die Schatten werden. Durch den Nebel sah er die Gebäude einer armseligen Pfahlsiedlung. Vorsichtig folgte er der Geruchsspur. Sie führte ihn zuerst zu einem aus Stein gebauten Stall am Rand des Dorfes. Torring roch die Pferde, denen er seit Tagen folgte. Er lächelte und entblößte die Zähne, die sich gelb gegen die schwarzen Lippen abhoben. Seine Beute ging jetzt zu Fuß. Nur die Schnelligkeit der Reittiere hatte die Hexe bisher vor seinem Zugriff bewahrt. Jetzt bestand dieser Vorteil nicht mehr.
Dennoch, um sicher zu sein, huschte er lautlos um die Ecke des Gebäudes und schlich zur Tür. Wenn er ihre Pferde töten würde, hätten sie keinerlei Aussicht auf ein Entkommen mehr. Er öffnete die Tür und schlich geduckt in den Stall. Sofort erhoben die Pferde um ihn herum ein lautes Wiehern und stampften mit den Füßen. Das erste Pferde trat wild gegen die Tür seiner Box, ein Krachen wie von einem Donnerschlag hallte durch die Enge. Er musste schnell vorgehen, bevor Alarm ausgelöst würde.
Torring folgte dem Geruch zur zweiten Box. Dort machte er eine kleine graue Stute aus. Eine Spur der Magik der Hexe haftete ihr an wie Moos einem Baum. Das Tier verdrehte die Augen vor Angst, sodass nur noch das Weiße zu sehen war. Es wich vor ihm zurück, als er die Tür der Box aufzog.
Er wollte gerade eintreten, als sich in der Nähe seiner Füße ein Stimmchen erhob. »Du solltest nicht hier sein.«
Torring blickte hinunter und sah einen kleinen Menschenjungen, der im pieksenden Heu der Box stand. Er trug keine Kleidung am Leib. Und was noch unheimlicher war: Obwohl das Kind vor Dreck starrte, verströmte es keinen Geruch. Der Zwerg trat einen Schritt zurück und musterte den Jungen. »Wer bist du?« fragte er. Neugier hielt ihn davon ab, das Kind am Genick zu packen. Das Herz des Jungen würde eine ausgezeichnete Nahrung für ihn abgeben.
Der Junge zog sich einen Heuhalm aus dem Mund. Er schwenkte ihn in Richtung des stämmigen Zwergs. »Geh weg! Du gehörst nicht hierher!«
Torring runzelte die Stirn. Er hatte bereits zu lange gedarbt. Seine Haut wurde bereits steif, und seine Gliedmaßen waren schwerfällig aus Mangel an Blut. Neugier hin oder her, er brauchte etwas zu essen. Er griff nach dem Jungen, doch seine Hände packten nur einen feuchten Moosklumpen. Der Junge war verschwunden.
Während er die schleimigen Strähnen von seinen Steinhänden abschüttelte, fing er einen Hauch von Magik auf, der in der Luft hing. Er schnupperte danach und versuchte, ihn in sich aufzunehmen, aber er verging zu schnell. Er rieb sich die dicke Nase. Warum kam ihm diese Spur von Magik so bekannt vor? Es war, als ob er in einen Raum getreten und plötzlich von der Ahnung befallen worden wäre, dass er schon einmal dort gewesen war.
Fluchend verließ er die Box. Er musste seine widerwilligen Gliedmaßen zwingen, ihm zu gehorchen. Inzwischen waren die Pferde um ihn herum wild geworden. Sowohl der zunehmende Lärm als auch das Erscheinen des sonderbaren Jungen trieben den Zwerg aus dem Stallgebäude. Die Hexe war nah. Es war unwichtig, ob ihr Pferd lebte oder nicht, sie
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