Alasea 02 - Das Buch des Sturms
des vor ihnen liegenden Sumpfes zu.
Er’ril löste das Seil von einem Pfosten am Steg und sprang in den Kahn. Er streckte die Hand aus, um dem Jungen beim Einsteigen zu helfen, doch das Kind warf ihm nur seine Decke zu und stand nackt am Steg.
»Ich mag keine Boote.« Mit diesen Worten sprang der Junge in den Sumpf und verschwand unter der grünen Wasseroberfläche. Jaston schob das Boot mit der Stake vom Steg ab.
»Warte!« rief Er’ril. Er senkte den Arm über die Bootsseite ins Wasser, um nach dem Jungen zu fischen. »Er wird ertrinken.«
Die Worte und das Handeln des Präriemannes lösten auf den Nachbarstegen vereinzeltes Kichern aus. Jastons Stimme jedoch klang sachlich. »Der Junge gehört zum Sumpf. Er wird nicht sterben.«
Dennoch tastete Er’ril im Wasser herum. Er war entschlossen, den Jungen zu finden.
»Ich würde das an deiner Stelle nicht tun, wenn du deinen letzten Arm behalten willst«, warnte Mikela. »Eine der ersten Verhaltensmaßregeln, die Jaston mir beigebracht hat, lautet: Tauche deine Glieder niemals in Wasser, das nicht klar ist.«
Er’ril zog schnell den Arm zurück, als auch schon etwas Großes, Geschupptes an der Stelle aus dem Wasser sprang, wo er sich gerade noch befunden hatte. Da es den Happen verfehlt hatte, versank das Geschöpf wieder außer Sicht.
»Ein Kro’kan«, erläuterte Jaston. »Und zwar ein junger.«
Er’ril betrachtete das Wasser nun mit mehr Ehrfurcht und ließ sich auf die Bank hinter Elena fallen. Er schlüpfte aus dem Hemd und wrang das faulige Wasser aus seinem durchtränkten Ärmel.
Elena beobachtete, wie seine Muskeln arbeiteten, als er sich einhändig mit dem Hemd abmühte. Wieder einmal erstaunte sie die glatte Struktur der Narbe an seiner Schulter. Es musste eine sehr scharfe Klinge gewesen sein, die ihm den Arm vom Körper getrennt hatte. Nicht ein einziges Mal während ihrer langen Reise hatte er darüber gesprochen, auf welche Weise das geschehen war. So neugierig sie in dieser Hinsicht auch war, ertappte sie sich plötzlich dabei, dass ihre Augen auf dem zarten Flaum dunkler, gelockter Haare auf seiner Brust verharrten, die in einem Streifen zu seinem Bauch hinunter verliefen. Sie errötete, und ihre Wangen wurden heiß, als sie merkte, dass Er’rils Blick auf ihren gerichtet war.
Er hielt ihr sein Hemd hin. »Würdest du das bitte am Bug ausbreiten, damit es trocknet?« bat er.
Verwirrt nahm sie das nasse Kleidungsstück und hängte es über die Holzreling neben Ferndal. Der Wolf schnüffelte an Er’rils Hemd. Sie war froh, dass ihre Aufmerksamkeit von Er’rils Körper abgelenkt wurde.
Doch ein lautes Klatschen ließ ihren Kopf wieder herumrucken. »Verfluchte Biester!« Er’ril schlug sich noch einmal mit der flachen Hand auf die Brust. Zwei Blutflecke zeigten, dass er Stechmücken zerquetscht hatte.
»Zündet einen der Glimmtiegel an«, sagte Jaston. »Sonst sind wir bald von blutdurstigen Insekten bedeckt. Die dichtesten Schwärme lauern gleich außerhalb der Rauchglocke von Trockenwassers Glimmtiegeln.«
Mikela nahm einen Wachsstock, entzündete ihn an der Flamme einer der Laternen und steckte den Docht in einer Keramikschale, die mit parfümiertem Wachs gefüllt war, in Brand. Eine Rauchschwade stieg auf. Der beißende Geruch erinnerte Elena an aufgebrühte Blätter des Rasierklingenbusches, die zur Linderung von Schmerzen angewendet wurden. Sie spürte einen Stich am Hals und schlug auf die betroffene Stelle. Als sie ihre Hand betrachtete, sah sie einen Tropfen Blut. Ein weiteres Insekt, das sie nicht gesehen hatte, stach sie in den Arm. Bald ertönten überall auf dem Boot wütendes Schnauben und das Klatschen von Händen, die auf Fleisch schlugen. Selbst Ferndal wimmerte und schlug sich mit der Pfote auf die Nase.
Nur Jaston blieb anscheinend unbehelligt, während er sie immer tiefer in den Sumpf stakte. »Ich lebe schon so lange in Trockenwasser, dass der Rauch seiner tausend Glimmtiegel mir nicht nur in die Haut, sondern auch ins Blut übergegangen ist«, erklärte er. »Die Insekten ernähren sich nicht gern von einem Sumpfbewohner, wenn sie frische Leckerbissen bekommen können.« Elena glaubte, einen Anflug von Erheiterung in den Augen des Mannes zu bemerken.
Sie verzog das Gesicht und schlug klatschend auf eine weitere Stechmücke. Sie mochte gar nicht daran denken, dass die ganze Fahrt durch den Sumpf von diesen lästigen Wesen bestimmt sein sollte. Bald jedoch entwickelte sich der Rauch aus dem Glimmtiegel zu
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