Alasea 02 - Das Buch des Sturms
gut befahrenen Kanälen. Ich habe vor, uns so weit zu bringen, wie die Landkarten der Sumpfbewohner reichen. Danach müssen wir auf Mikelas Suchfähigkeiten vertrauen.«
»Wie viel Strecke haben wir noch vor uns, bis wir in dieses unerforschte Gebiet kommen?«
»Bis zum Einbruch der Dunkelheit werden wir dort ankommen. Ein Sumpfbewohner weiß, dass er das Schicksal herausfordert, wenn er mehr als eine Nacht im Sumpf verbringt. ›Einen Tag hin und einen Tag zurück‹, lautet eine alte Jägerweisheit.«
»Warum das?« fragte Er’ril.
»Nach einer Nacht hat der Sumpf deinen Geruch aufgenommen und macht Jagd auf dich. Sumpfbewohner, die mehr als fünf Tage weg sind, werden als Tote beklagt. Nur ganz wenige Männer haben länger im Sumpf überlebt, und die meisten derer, die zurückgekehrt sind, waren schwer vergiftet, oder es fehlte ihnen dieser oder jener Körperteil.«
»Wie lange wart ihr, du und Mikela, das letzte Mal draußen, als ihr die Hexe gesucht habt?«
»Sieben Tage«, erwiderte er verbissen und senkte den Blick. »Die längste Zeit, die je ein Mensch im Sumpf geblieben ist.«
»Und was glaubst du, wie weit ihr in ihn eingedrungen seid?«
Mikela antwortete. »Wir sind drei Tage lang in den Sumpf vorgedrungen, bevor wir zurückgeschlagen wurden. Selbst mit dieser unter Mühen zurückgelegten Strecke haben wir meiner Ansicht nach nur den Rand seines dunklen Herzens berührt. Um wirklich zum Kern vorzudringen, braucht man mindestens die doppelte Zeit.«
Er’ril überdachte diese Mitteilung mit düster gerunzelter Stirn.
»Aber diesmal möchte die Hexe, dass wir kommen«, sagte Elena und streifte ihren Ärmel hoch, um die Ranken zu zeigen, die ihren Arm überwucherten. »Sie hat mich gezeichnet, um ihren Ruf zu verstärken. Sie wird sich nicht vor uns verstecken.«
Mikela nickte, während Elena den Ärmel wieder über die Ranken schüttelte. »Vielleicht«, murmelte sie. »Aber wer kennt schon die Gesinnung von jemandem, der bereits so lange in diesem giftigen Landstrich lebt?«
»Weiß denn irgendjemand, wie lange sie schon hier ist?« fragte Er’ril.
Jaston antwortete. »Die Geschichten über die Hexe reichen mehrere Generationen zurück. Hunderte von Jahren. Einige behaupten, seit der Entstehung des Ertrunkenen Lands. Andere sagen, es war die Hexe selbst, die vor langer Zeit dieses Land versenkt hat.«
Elena richtete sich auf ihrem Sitz auf. »Was meinst du mit ›versenkt‹? War dies nicht schon immer eine Sumpflandschaft?«
»Nein«, antwortete Er’ril. Seine Stimme war ein schmerzerfülltes Flüstern, während er den Blick über das giftige Gebiet schweifen ließ. »Einst war dieses Land Teil der Ebenen von Standi.«
Der Blutjäger duckte sich im hohen Schilf am Rand von Trockenwasser. Er hatte die Anhäufung von armseligen Hütten bis zum südlichsten Punkt umrundet. An dieser Stelle verließ die Geruchsspur seiner Beute die Stadt und verlief weiter in den Sumpf. Er blieb stehen und überdachte den Weg, den die Hexe eingeschlagen hatte. Warum nahm sie die Gefahren dieser tückischen Gegend auf sich? Das ergab keinen Sinn, da es doch ein Leichtes gewesen wäre, entlang des Landbruchs bis zur Küste zu wandern.
Torring glitt in die Tiefe des Sumpfes, sein Kopf tauchte unter das grüne Wasser. Er strampelte sich geschmeidig durch den Schlamm am Grund des Kanals. Er marschierte kraftvoll voran, da das frische Blut seine Haut erhitzte. Er erfreute sich an der neuen Kraft in seinen Glieder, während er verschlungene Wurzeln, die ihm den Weg versperrten, mühelos beiseite schob. Größe Räuber schwammen auf ihn zu, tiefschwarze Schatten im Schlamm, mit entblößten Zähnen, die wie Leuchtfeuer in der Düsternis strahlten. Doch wenn sie näher kamen, bedurfte es nur eines Blicks seiner roten Augen, damit sie schleunigst kehrtmachten. Mit einem Schlag ihrer dicken, geschuppten Schwänze waren sie verschwunden. Sumpfaale wanden sich um seine Fußknöchel und an seinen Beinen hinauf, bis sie von seiner Berührung vergiftet wurden. Ihre Kadaver schwebten nach oben und hinterließen eine schauderhafte Spur in seinem Kielwasser.
Er folgte dem Wasserweg und tauchte gelegentlich an die Oberfläche - nicht um zu atmen, da sein Körper dieses Bedürfnis überwunden hatte und Blut jetzt sein Lebenselixier war, sondern um die Fährte der Hexe zu erschnüffeln, um sich zu vergewissern, dass er nicht von ihrem Pfad abgekommen war. Da die Sumpfbewohner ihm wenig Widerstand entgegensetzten, kam er
Weitere Kostenlose Bücher