Alasea 02 - Das Buch des Sturms
und Gul’gotha-Soldaten landeten an der Küste und marschierten zu den Zahnbergen, unterstützt von den Ungeheuern des Herrn der Dunklen Mächte und der schwarzen Magik. Wir konnten ihrer Übermacht nicht standhalten. Nach zehn Wintern des Mordens und Blutvergießens widerstand nur noch A’loatal dem Wüten der Unholde, da es mit genügend Magik ausgestattet war, um die lange Belagerung auszuhalten. Von dieser letzten Bastion aus holten wir zum Schlag gegen die Herrschaft des Schwarzen Herzens über unser Land aus. Solange A’loatal nicht gefallen war, herrschte noch Hoffnung bei den Leuten.«
Er’ril senkte den Blick zu Boden. »Dann zerriss eines Tages ein gewaltiges Erdbeben diese Gegend. Während seines Tobens versank nicht nur der Archipel, bis nur noch die höchsten Gipfel über die Wellen herausragten, sondern dieser gesamte Küstenkeil brach entzwei, und ein Teil krachte in die Tiefe. Flüsse stürzten über die neuen Klippen und überschwemmten das Gebiet. Ausgelöst durch die Katastrophe, erhitzten heiße Winde das Wasser, und die Geschöpfe aus den Küstenmarschen und Mooren strömten ins Inland, um das neue Territorium für sich zu beanspruchen. Und so entstand das Ertrunkene Land.«
Schweigen folgte seiner Erzählung. Schließlich fragte Mikela: »Aber was ist mit A’loatal geschehen?«
Er’ril wurde wieder sachlich. »Während des Angriffs dachten wir, die ganze Insel würde versinken, doch im letzten Augenblick hörte das Beben auf, und die obersten Geschosse der Gebäude der Stadt ragten immer noch über die Wasseroberfläche hinaus. Aus Angst vor weiteren Angriffen trachteten die Magiker danach, die Insel zu verstecken, damit der Herr der Dunklen Mächte annahm, die Stadt sei geschlagen und versunken. Die Bruderschaft wandte beinahe die gesamte verbliebene Magik auf, um einen Schutzwall gegen feindliche Augen zu errichten, der ohne die Magik eines der drei Wächter undurchdringlich sein sollte. Die überlebenden Magiker planten, nun aus dem Verborgenen einen Krieg gegen Gul’gotha zu führen. Aber das war ein Fehler. Mit dem Verschwinden A’loatals hatten die Bewohner Alaseas ihre Herzen verloren.« Er’rils Gesicht wurde hart, seine Stirnfalten noch tiefer. »Indem wir uns versteckten, verhalfen wir dem Herrn der Dunklen Mächte zum Sieg.«
»Aber … aber wie hat er es geschafft, dieses Land zu versenken?« fragte Elena.
Er’ril zuckte mit der Schulter. »Das wurde nie aufgeklärt.«
Zum ersten Mal ergriff jetzt Jaston das Wort, und sein Ton war ein besorgtes Murmeln. »Wie ich bereits gesagt habe, behaupten einige, es sei die Sumpfhexe gewesen.«
Er’ril rieb sich das stoppelige Kinn und straffte sich. »Was immer die Ursache gewesen sein mag, die Auswirkungen sind jedenfalls weitreichend.«
Niemand widersprach dieser Äußerung. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, während alle ihre Schlafsäcke bis zum Hals hochzogen. Elenas linker Arm juckte von den Ranken, was sie lange Zeit wach hielt. Als leises Schnarchen rings um sie herum anhob, waren ihre Gedanken immer noch von all dem, was sie erfahren hatte, gepeinigt.
Wenn die Hexe mächtig genug war, um dieses Land zu versenken, was hatte sie dann mit ihr vor?
In Elenas Nähe stöhnte Jaston im Schlaf und warf sich auf seinem Lager hin und her, unsichtbare Angreifer abwehrend.
Und wenn sich die Hexe schon so lange versteckte und alle, die sich ihr näherten, verschreckte und umbrachte, warum sollte sie sich dann jetzt ihr preisgeben?
Draußen gemahnte der nächtliche Sumpfchor von Jägern und Beute ständig an die Gefahren, die vor ihnen lagen. Elena zog sich den Rand des Schlafsacks über den Kopf, um die durchdringenden Schreie und schrillen Laute zu dämpfen, und versuchte sich vorstellen, sie sei zu Hause in ihrem Zimmer im Obsthain. Es gelang ihr nicht. Dennoch gewann nach einiger Zeit die Erschöpfung die Oberhand über sie, und endlich schluckte der Schlaf ihre Ängste.
Sie schlief tief, zu müde, um auch nur zu träumen, bis jemand sie am Arm packte. Sie öffnete die Augen ruckartig, und ein lauter Schnaufer entfuhr ihr.
»Psst!« flüsterte Er’ril und zog sie hoch.
Elena strampelte sich aus ihrem Schlafsack und stand auf. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte. Ihrem Gefühl nach war es lange nach Mitternacht, doch noch eine ganze Weile hin bis zum Morgengrauen.
Er’ril schob sie hinter sich und wandte sich der Tür zu. Jaston und Mikela waren ebenfalls aus ihren Schlafsäcken geschlüpft.
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