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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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alle Himmelsrichtungen gespannt, um sich mit dem Werk ihrer Kinder zu verbinden. Diese Stränge vibrierten und surrten wie die Saiten einer fein gestimmten Laute.
    In ihrem Nest lauschte Vira’ni der Musik, die ihre Kinder erzeugten. Nicht nur mit den Ohren, sondern mit sämtlichen Fasern ihres Körpers. Seit dem Morgengrauen geschah hier etwas. Sie spürte die Erregung in den schwachen Vibrationen.
    Eins ihrer Kinder hangelte sich an einem Faden zu ihr. Sie zog eine Hand aus der Erde und streckte einen Finger nach ihm aus. »Was gibt’s, mein Süßes?«
    Die Spinne kroch in ihre Hand.
    »Hast du Neuigkeiten?«
    Ihr Kind saß in der Mitte ihrer Handfläche, die pelzigen Beine unter sich zusammengefaltet. Es zitterte leicht.
    »Hab keine Angst«, gurrte sie sanft.
    Sie hob die Spinne an ihre Lippen und nahm das Kind in den Mund. So ein zartes Geschöpf! Die Wärme der Liebe einer Mutter zu ihrem Kind durchflutete ihre Adern. Sie spürte die acht winzigen Beinchen, die auf ihrer Zunge tanzten, und ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Oh, wie sehr sie diesen Winzling liebte, doch jetzt war nicht die Zeit für zärtliche Spiele. Etwas lag in der Luft. Die Vibration der Fäden verstärkte sich mit jedem ihrer Atemzüge.
    Vira’ni bewegte ihr Kind mit der Zunge. So, jetzt erzähl mir, was du weißt, mein Kleines, dachte sie, während sie die Spinne zwischen den Zähnen zermalmte. Sofort ergoss sich deren Gift in sie. Der Herr hatte sie gut vorbereitet.
    Vira’ni war einer Ohnmacht nahe; wieder hatte sie beide Hände tief in die Erde gesteckt, um sich abzustützen. Vor ihren Augen flossen unzählige Farbtöne ineinander. Die Bäume und Netze verschwammen. Dann sah sie - aus der Sicht ihrer Kinder - eine große Feuersbrunst, die ihren Wald verzehrte. Sie tobte viele Meilen weit entfernt, in der Nähe des Waldrands. Sie sah das Feuer mit unzähligen Augen gleichzeitig, ihr geistiges Auge bestand aus tausend Facetten.
    Heiße Tränen rannen ihr über die Wangen, während sie Zeugin der Vernichtung wurde: Eine dichte Mauer aus Flammen verzehrt Wald und Spinnweben … ihre Kinder fliehen … Rauch von unzähligen windgepeitschten Feuern … brennende, sterbende Spinnen … und für einen Augenblick: ein verkohlter Wagen mit schwelender Plane, gezogen von zwei Pferden mit wilden Augen …
    Sie spuckte die leere Hülle ihres Kindes aus. »Nein!« stöhnte sie. »Meine Kinder!« Sie erhob sich auf die Beine und schüttelte alle Fäden von sich ab.
    Vira’ni blickte zum fernen Himmel im Westen und versuchte, das Gewirr von Zweigen und Spinnweben mit den Augen zu durchdringen. Der Himmel über ihr war klar, die Sonne schien senkrecht auf sie herab, aber im Westen war der Horizont von einer riesigen schwarzen Wolke verdeckt. Ohne ihre Vision hätte sie sie fälschlicherweise für ein heranziehendes Unwetter gehalten, schwarze Gewitterwolken - aber sie wusste es besser. Diese Wolken kündeten nicht von Regen und Blitz, sondern von Feuer und Wind.
    Während Vira’ni das Schauspiel betrachtete, hörte sie in der Ferne ein Dröhnen wie das Brüllen eines herannahenden riesigen Tiers. Über ihr wanden sich Ranken und Wurzeln aus Rauch aus der schwarzen Mauer und griffen nach ihr.
    Das Feuer kam auf sie zu, wogte durch das bewaldete Tal!
    Sie erschauderte, als ihr klar wurde, was das bedeutete. Es würde alles verschlingen, was in seinem Weg war! Entsetzt hielt sie sich die schlammbeschmutzte Hand vor den Mund und riss sich von dem Anblick des aufgewühlten Himmels los. »Die Horde darf nicht sterben!« rief sie. Tief in ihrem Herzen war die nagende Sorge um ihre Kinder vermischt mit der überwältigenden Angst davor, den Herrn der Dunklen Mächte zu verärgern, sollte sie sein süßes Geschenk verlieren.
    Ihr Geist verweilte für einen Augenblick bei dem Gedanken, zu versuchen, ihren Herrn anzurufen, doch bis es ihr gelänge, den Schwarzstein zu reinigen und die erforderlichen Rituale durchzuführen, wäre das Feuer bei ihr angekommen, und alles wäre verloren. Das durfte nicht geschehen. Nein, dachte sie bei sich, während sie wieder die Arme um den Körper schlang, der Ruf musste warten. Sobald sie und ihre Kinder in Sicherheit wären, würde sie den Herrn davon in Kenntnis setzen, was sich zugetragen hatte.
    Das Dröhnen hinter ihr wurde lauter, und der Tag verdunkelte sich, da der Rauch die Sonne verdeckte.
    Sie musste sich beeilen.
    Sie zappelte aus ihrem Nest heraus und kauerte sich in den feuchten Schlamm, die zarten Knie

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