Alasea 02 - Das Buch des Sturms
sich zu dem Wagen hinüber und sprang. Er’ril schlug mit der Schulter gegen den Rahmen des Wagens, bevor er mit einem heftigen Aufprall auf dem Kutschbock landete. Ohne sich die Prellungen anzusehen, kletterte er auf den Platz neben Mogwied. Der Gestaltwandler saß auf der Bank, die Peitsche starr in der Hand, und machte ein entsetztes Gesicht.
»Gib mir die Zügel«, befahl Er’ril, »dann klettere nach hinten und sag Tol’chuk, dass er in den Wagen steigen soll.«
Wie betäubt gehorchte Mogwied, doch aus seinen Augen sprach Erleichterung. »Was hast du …?«
»Ich werde mit dem Wagen die Masse der Horde durchbrechen. Jetzt geh!«
Mogwied katzbuckelte und eilte nach hinten, indem er über ihre Kisten mit den Vorräten kletterte.
Er’ril schnalzte laut mit den Zügeln, dann klemmte er sie sich unter die Knie und ließ die Peitsche knallen. Jetzt war nicht die Zeit, die Pferde zu schonen. »Ferndal! Lass die Pferde und komm hier rauf!«
Der Baumwolf stemmte sich mit den Pfoten zum Sprung ab und landete als wildes Knäuel aus schwarzem Fell im Wagen, wo er sich zu seinem Bruder unter der Plane gesellte.
Jetzt musste nur noch Tol’chuk eingesammelt werden. »Holt den Og’er rein …«, setzte Er’ril zu einem Befehl an, als plötzlich der hintere Teil des Wagens absackte. Ein Balken an der Rückseite des Gefährts brach krachend auseinander.
»Er ist schon drin!« schrie Mogwied.
Durch das zusätzliche Gewicht des Og’ers wurden die Pferde merklich langsamer. Das war nicht gut. »Ballast abwerfen!« befahl Er’ril seinen Kameraden. »Alles. Schmeißt alles raus!«
Er’ril hörte, wie hinter ihm Kisten mit Gepolter auf dem Weg landeten. Aber er konnte sich nicht mit Gedanken über den Verlust aufhalten. Er drosch unbarmherzig mit der Peitsche auf die Pferde ein, wobei er sich im Stillen für seine Grausamkeit entschuldigte. Sein Plan durfte auf keinen Fall fehlschlagen. Vorneweg stürmte das Zugpferd, auf dem er geritten war, als erstes mitten hinein in das Meer von Spinnen.
Sofern das Pferd es schaffte, wäre es vielleicht möglich …
Der Hengst stieß ein schrilles Wiehern aus, und Er’ril sah, dass er auf die Knie taumelte. Eine Flut von Spinnen wallte an seinen Flanken hoch. Das Pferd bemühte sich aufzustehen, kroch mühsam weiter, brach dann jedoch unter der Menge der winzigen Räuber zusammen. Es hatte nicht einmal ein Viertel der Strecke durch die Spinnenmeute geschafft.
Doch der Tod des bedauernswerten Tiers war nicht umsonst gewesen. Sein Auftauchen inmitten der Horde hatte die Aufmerksamkeit der Spinnen abgelenkt, sein Blut zog den Hauptteil der Armee zum Rand des Wegs.
Er’ril lenkte den Wagen zum gegenüberliegenden Rand, wo die Spinnen jetzt weniger dicht herumwimmelten. Er knallte mit der Peitsche über den schwitzenden Leibern seines Gespanns. Er musste die Tiere anspornen, ihre letzten Kraftreserven aufzubieten; Schnelligkeit war jetzt entscheidend. »Macht schon!« quetschte er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, als der Wagen mitten hinein ins Reich der Spinnen fuhr.
Als die Pferde von der Horde umzingelt waren, brauchten sie keinen weiteren Ansporn mehr. Die stolzen Tiere stampften wie verrückt, Schaum flog von ihren Lippen. Unter ihren dahinjagenden Füßen wurden Spinnen zermalmt, und grünlicher Rauch stieg von den Fersen der Pferde auf, als das Gift ihre Hufe versengte. Statt sie aufzuhalten, trieb der Schmerz die Pferde zu einer noch schnelleren Gangart an. Er’ril hob die Peitsche, dann senkte er sie wieder, da ihm klar wurde, wie wenig er damit jetzt noch bewirken konnte.
Ihm blieb nichts mehr zu tun, außer zu hoffen.
Er’ril sah, wie Spinnen an den Lederwickeln, die die Beine der Tiere schützten, emporkrabbelten. Ein Stück weiter vorn endete der Pfad in Wirbeln von Rauch und Sonnenlicht. Die Hälfte der Strecke durch die Horde hindurch hatten sie bereits geschafft. Er’ril umklammerte die Zügel. Bald waren sie da! Sie mussten es schaffen!
Doch die Kräfte der Pferde ließen allmählich nach, sie wurden langsamer, die Erschöpfung nach einem langen Tag voller Schrecken und Anstrengung machte sich bemerkbar. Rauch wehte über den Weg vor ihnen und machte die Aussicht auf ein Entkommen zunichte.
Plötzlich sah es so aus, als bestünde die ganze Welt nur noch aus Spinnen und Asche.
Tol’chuks Kopf tauchte an Er’rils Schulter auf. Der Og’er schwieg. Jetzt waren Worte überflüssig.
»Wenigstens ist das Mädchen unbeschadet durchgekommen«,
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