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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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fest zu. Blutiger Speichel tropfte von ihren Lippen. »Herr? Bitte …« Selbst mit geschlossenen Augen sah sie irgendwie, dass die Dunkelheit auf sie zukroch. Sie wusste, wo immer sie mit ihr in Berührung kommen würde, wäre sie für alle Zeiten gezeichnet. Sie kauerte sich nieder, erstarrt, wie ein Schwein vor dem Schlachten.
    Die erste Berührung spürte sie am Knie. Ein erstickter Aufschrei entrang sich ihrer Kehle, aber sie war klug genug, sich nicht zu bewegen. Dem Herrn gefiel es nicht, wenn einer seiner Diener vor seiner Berührung zurückwich - das war ihr von jenen frühen Lektionen, die ihr im Verlies von Schwarzhall zuteil geworden waren, eindrücklich in Erinnerung geblieben. Also hielt Vira’ni still und zog sich im Geist in jenen Winkel ihres Seins zurück, den sie als Zufluchtsort kannte. Die Winter, die sie im Labyrinth der Zellen unter Gul’gothas Hallen verbracht hatte, hatten sie Methoden zur Erhaltung ihrer geistigen Gesundheit gelehrt. Jetzt floh sie auf diese Weise, sich kaum des kalten Fingers bewusst, der an der Innenseite ihres Schenkels hochkroch.
    An ihrem sicheren Zufluchtsort summte sie Lieder vor sich hin, die ihre Mutter ihr beigebracht hatte, damals zwischen den Booten und Netzen ihres Fischerdorfes an der sturmgepeitschten Küste im Norden. Sie hüllte sich ein in die Melodien von verlorener Liebe und den wundersamen Wendungen des Lebens. Hier konnte ihr niemand etwas anhaben, hier konnte nichts sie berühren, hier war sie sicher.
    Plötzlich durchbrach ein bohrender Schmerz ihren warmen Kokon, schlimmer als alles, was sie während der langen Winter im Verlies erlitten hatte. Ihre Augenlider ruckten nach oben, doch die Todesqualen machten sie genauso blind, als wenn sie die Augen geschlossen gehalten hätte. Sie sah nur Schwärze, durchzogen von roten Blitzen. Doch als der Schmerz ein wenig nachließ, kehrte ihr Sehvermögen zurück, schwach und eingeschränkt, aber immerhin so weit, dass ihr bei dem Anblick, der sich ihr bot, ein Stöhnen über die Lippen kam.
    Eine schattenhafte Nabelschnur, wie der schwarze Tentakel eines Seeungeheuers, verband jetzt den Schwarzstein mit ihrem Bauch. Der Strang pulsierte und pochte und füllte ihren Bauch mit dunkler Energie, versengte ihr Fleisch wie ein glühend heißes Brenneisen. Unfähig zu schreien, da der Schmerz den Atem in ihrer Kehle gefangen hielt, konnte sie sich nur lautlos am Ende der Schnur winden. Lediglich die Magik, die der Herr der Dunklen Mächte vor langer Zeit ihren Adern eingeflößt hatte, verhinderte, dass ihr Herz zerbarst. Dieser Schutz war allerdings kein Geschenk. In diesem Augenblick wäre ihr der Tod ein willkommener Gast gewesen.
    Doch der Tod erlöste sie nicht; der Schmerz in ihrem Bauch schwelte wie ein glühender Scheit nach. Die Stimme, die ihren Kopf ausfüllte wie Blutegel und ihr alle Willenskraft aussaugte, folterte sie weiter. »Sieh nur, wie sehr ich dir vertraue, Vira’ni. Ich gewähre dir ein weiteres Geschenk. Ich habe die Horde aus deinem Bauch herausgeholt und in etwas Neues verwandelt, das du lieben kannst.«
    »Meine Kinder!« schrie sie. »Nein!« Diese neue Qual war noch viel schlimmer als der körperliche Schmerz.
    »Sorge dich nicht. Dieses Kind wirst du genauso lieben.« Die bösartige Nabelschnur zuckte noch ein letztes Mal, dann löste sie sich und glitt zurück in die Schwarzsteinschale. »Viel Spaß mit meinem Geschenk.«
    In ihrem Bauch ringelten sich Eiswürmer in der glühenden Hitze und fraßen den Schmerz auf. Ein Seufzer der Lust kam ihr über die Lippen, als die Pein nachließ. Jetzt fühlte sich ihr Bauch kühl und ruhig an. Befreit von der Last des Schmerzes, sackte sie schlaff auf die Kissen zurück und rollte sich um ihren dicken Bauch zusammen.
    Tief in ihrem Inneren fühlte sie eine Bewegung, etwas Starkes, etwas, das durch die schwarze Magik ihres Herrn gereift war. Sie schlug sich die Arme um den Bauch und nahm die Bewegungen ihres ungeborenen Kindes wahr. Sie schloss die Augen und zog die Arme fester um sich, ein Lächeln auf den Lippen.
    Ihr Herr hatte Recht, wie immer. Eine wunderbare Wärme durchströmte ihre Adern, und Tränen traten ihr in die Augen. Sie … ja, sie liebte dieses Kind, ganz bestimmt. Sie wiegte sich auf den Kissen vor und zurück. Es würde nicht mehr lange dauern, das spürte sie.
    Ihr Kind, die wahre Saat des Schwarzen Herzens, würde heute Nacht geboren werden.
     
    Er’ril lenkte sein Zugpferd hinter den Wagen. »Es ist nicht mehr weit,

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